
Dass sie diesen Weg einschlagen würde, war ihrem Herzen zwar seit ihrem 8. Lebensjahr klar, ihrem Kopf aber nicht – und so studierte sie erst einmal Lehramt und Kunst und wurde verbeamtete Lehrerin.
Für mich war sehr spannend zu hören, wie sie mit ihrem Sicherheitsbedürfnis umgeht und was für sie die ausschlaggebenden Punkte waren, aus dem Sicherheitsbett ins kalte Wasser zu springen.
Julia: Herzlich willkommen zum Podcast „Auf eigenen Beinen“. Ich bin Julia Krivachy und ich interviewe Leute, die im Kultur- und Kreativbereich was eigenes auf die Beine gestellt haben. Hallo Lissy, herzlich willkommen! Ich freue mich total, dass du da bist. Das ist die dritte Folge vom Podcast „Auf eigenen Beinen“. Und in diesem Podcast geht es ja darum, kreative Leute zu interviewen, die was eigenes auf die Beine gestellt haben und herauszufinden, wie sie den Spagat zwischen Kreativität und Flow, Muse, Inspiration und Geld verdienen. Ordnung, Struktur, Wachstum, Beziehungen eingehen.
Lissy: Hi, erstmal. Spannender Spagat.
Julia: Ja, das Lustige ist, wir kennen uns ja eigentlich auch aus der Arbeit. Du hast mich fotografiert vor einem Jahr, als ich wusste, ich mache mich selbstständig und ich hab‘ dich neulich auf dem Female Future Festival wiedergetroffen. Ja, und hab dich dann eigentlich direkt gefragt, ob du der dritte Gast sein möchtest, weil ich es einfach einerseits so spannend finde, wie du dein Fotografie-Business aufgebaut hast, wie das gewachsen ist. Also das möchte ich gern von dir wissen.
Und dann geht es zugleich in meinem Podcast ja auch darum, wie geht man so mit Gefühlen wie Angst, Unsicherheiten oder Widerständen um?
Ich habe ein paar Freundinnen, die sind Beamtinnen und ich komme aus einem Beamtenhaushalt. Ich habe bei dir erfahren, du warst früher auch Lehrerin und in einem ganz sicheren Umfeld. Ich fand es einfach spannend – und das darf aber nur ein Detail dieses Podcasts sein: Wie du das geschafft, aus so einer sicherheitsorientierten Welt in diesen freien Teich zu springen und zu sagen: Hey, ich fotografiere Frauen.
Magst du vielleicht dich erst mal so eingangs vorstellen und auch sagen, was du machst?
Lissy: Ja, ich bin Fotografin mit der Marke Soul Photo, also Seelen Foto, und habe mich auf selbstständige Frauen spezialisiert, die entweder gerade in der Gründung sind oder auch immer mehr Frauen, die schon länger mehrere Jahre selbstständig sind.
Julia: Ich will noch kurz eingangs was sagen, weil man ein paar Hintergrundgeräusche hört. Wir sitzen hier in Pasing im Park, um uns herum spielen Kinder, ein paar Enten laufen am Teich und ab und zu fährt ein Auto vorbei. Also lasst euch nicht ablenken von den Geräuschen. Wir sind quasi in der freien Natur.
Lissy: Genau so wie bei vielen meiner Shootings übrigens auch.
Julia: Als du mich fotografiert hast, hast du auch extra Wert drauf gelegt, wo wir fotografieren und was auch zu dem passt, wie ich arbeiten möchte. Das hat mir damals richtig geholfen. Ich kann jetzt 800 Fragen stellen, aber vielleicht als erste: Wie bist du überhaupt auf die Idee gekommen, so zu fotografieren und dich damit selbstständig zu machen?
Lissy: Ja, die Idee ist nicht in meinem Kopf entstanden, sondern in meinem Herzen. Ich fotografiere schon, seit ich ein kleines Kind bin und habe im Alter von acht Jahren schon den Traum gehabt, mal Fotografin zu sein. Allerdings entstamme ich ursprünglich aus einer durch und durch verbeamteten Lehrerfamilie, die mit Selbstständigkeit weniger als nichts am Hut hat und wo die Prognose war, dass ich innerhalb weniger Monate unter der Brücke landen werde, wenn ich mich selbstständig mache. Das wurde mir auch wortwörtlich so mitgeteilt und dahingehend habe ich einfach zu keiner Zeit in meinem Leben bis vor drei Jahren überhaupt in Erwägung gezogen, dass es möglich ist, selbstständig zu sein oder dann noch zusätzlich auch noch im künstlerischen Bereich. Das ist ja noch mal eine Nummer krasser, wenn man jetzt in Klischees denkt.
Julia: Ich will mal kurz einhaken: Ich find’s lustig. Ich habe es Dir im Vorgespräch auch gesagt: Meine Mama ist Beamtin. Ich glaube, fünf Generationen vorher waren alle Beamte. Mein Vater war sein Leben lang bei dem Konzern und die verstehen alle überhaupt nicht, was ich als Selbständige macht und haben auch regelmäßig Sorgen, ob ich genug Geld verdiene, ob ich auch in die Rentenversicherung einzahlen und ob man damit Geld verdienen kann. Und ich beruhigt sie dann immer, weil ich bin ja auch sehr strukturiert und organisiert. Und kann ihnen dann schon Wind aus den Segeln nehmen. Aber gerade weil ich das von dir gehört habe, find ich das immer so spannend. Zu sagen, du kommst aus einer verbeamteten Familie, dann machst du auch noch was Künstlerisches. Wie schaffst du es dann aber, dass du diese Kreativität und die Inspiration, die du in deinen Fotos ja hast und zum Ausdruck bringst, in Einklang zu bringen mit deinem Mindset, mit dem du dann ja offenbar aufgewachsen bist und das dich ja durch und durch geprägt hat.
Lissy: Ja, das ist eine spannende Frage. Ich denke, Selbstständigkeit ist immer Persönlichkeitsentwicklung und ich musste einfach an einem Punkt anfangen, der sehr tief unten war oder sehr basic war. Im Unterschied zu beispielsweise auch Freunden oder Kunden von mir, die aus Familien kommen, wo die Eltern beispielsweise freischaffende Künstler sind oder einfach selbstständig in anderen Metiers unterwegs sind. Die nehmen natürlich da schon in der Kindheit und auch im Erwachsenenalter ganz andere Learnings mit aus ihrer Familie. Das hatte ich so nicht. Aber ich finde, man kann auch sehr gut am Negativbeispiel lernen. Wenn ich das jetzt durch die Blume sagen darf.
Julia: Magst du das noch bildlich darstellen? Negativbeispiel – also wenn du sagst, du kommst unten an, ging es dir nicht gut?
Lissy: Ich meine, was Selbstständigkeit angeht, habe ich halt nichts mitgenommen aus meiner Kindheit. Also ich weiß halt, wie dieser klassische Lehrerberuf abläuft. Also meine beiden Eltern waren bis zur Rente eben Lehrer und das habe ich halt mitbekommen, so dieses Schulsystem und so, das war halt zu Hause auch immer Thema. Aber wie man jetzt so einen Alltag strukturiert als Selbstständiger oder dass es da auch Menschen gibt, die nicht die ganze Zeit arbeiten und überarbeitet sind, dass es sogar auch Menschen gibt, die damit gut Geld verdienen. Das wusste ich alles gar nicht. Und das meinte ich mit dort, wo ich begonnen habe. Ich hatte wirklich keine Ahnung. Ich habe mich komplett selbst ins Eiswasser geschmissen. Ich persönlich finde es immer sehr inspirierend und spannend, Menschen kennenzulernen, die einen Weg gegangen sind, der mehrere Hürden und Hindernisse beinhaltet hat, weil diese Menschen oft einfach eine tiefe Weisheit in sich tragen. Und ich zähle mich selbst auch zu den Menschen, die schon viel erlebt haben auf vielen verschiedenen Ebenen. Und daher habe ich einfach auch viel Erfahrung und eine innere Weisheit, würde ich sagen, die es mir auch erlaubt oder die es mir möglich macht, Menschen auch auf einer tieferen Ebene zu verstehen und zu fühlen.
Julia: Also ich weiß nicht, ob das jetzt gesagt hast du, wenn du sagst also wenn ich frage, wie kamst du auf die Idee? Dann habe ich gehört, was du als 8-jähriges Mädchen wolltest du Fotografin werden, hast dich aber gar nicht getraut, daran zu denken. Und du warst ja dann auch erst mal selber Lehrerin, oder?
Lissy: Genau. Also ich habe deine Frage vergessen. Jetzt fällt’s mir wieder ein. Um den Bogen zu spannen: Ich war dann selbst Lehrerin. Also ich habe an der Kunstakademie Kunst studiert und an der normalen Universität Pädagogik und nach dem Referendariat war ich dann sogar auch verbeamtet und ich habe insgesamt in meiner kompletten Studien- und Arbeitslaufbahn an sechs verschiedenen Schulen gearbeitet. Und das habe ich dann hinter mir gelassen vor wenigen Jahren.
Julia: Und was mich jetzt total brennend interessiert, weil als ich mich letztes Jahr selbstständig gemacht habe, habe ich am Anfang schon gemerkt: Boah, ich habe ein krassere Sicherheitsbedürfnis als ich dachte, weil ich finde, so als Selbständige steht man ja auf einmal alleine da.
Alles ist offen, aber alles ist vielleicht auch erst mal leer. Du weißt nicht so genau, was kommt, Du darfst es selber füllen. Aber am Anfang ist da ja noch nicht so viel. Wie bist du dann mit dieser Unsicherheit umgegangen? Und vor allem, was hat dich dann bewogen, wenn du schon in einem System warst, das dann doch hinter dir zu lassen und so in diese Leere oder in das Neue zu gehen?
Lissy: Auch hier wieder das Negativbeispiel: Ich war keine geschaffene Lehrerin. Obwohl ich sehr high performing unterwegs war, ging es mir einfach nicht gut damit und ich war permanent überfordert, weil ich sehr, sehr sensibel bin und sehr stark spüre, wie es anderen Menschen geht. Das habe ich vorhin, glaube ich, auch schon mal kurz erwähnt und dadurch war ich permanent überfordert in den Klassenräumen und bin einfach nicht für diese Arbeit gemacht gewesen. Und weil es mir wirklich so schlecht ging, habe ich gemerkt, dass das keine Zukunft hat. Und das war mir dann auch egal, dass ich da zehn Jahre rein investiert habe in dieses Studium und in diese Ausbildung, also in das Referendariat, weil die zehn Jahre waren schon zehn Jahre zu viel. Und dann war es für mich offensichtlich, dass ich nicht noch weitere Jahrzehnte da dranhängen, egal wie viel Geld oder wie viel Sicherheit ich dafür bekomme.
Julia: Und dann hast du es einfach an Nagel gehängt und gesagt: jetzt fotografiere ich.
Lissy: So ähnlich, Ja.
Julia: Hattest du das schon angefangen? Also hattest du da schon Erfahrungswerte?
Lissy: Also ich habe in Corona gemerkt, als ich nicht mehr in die Schule gehen musste, weil die zugeschlossen wurde, dass ich da auch gar nicht mehr hingehen möchte. Und mein komplettes Nervensystem hat sich entspannt. Ich habe den Onlineunterricht maßlos genossen, weil ich alle meine Schüler auf stumm stellen konnte. Was nicht heißt, dass ich jemand bin, der zum Monologisieren neigt. Ich mag es wirklich sehr gerne, wenn Kinder und Jugendliche ihr eigenes Ding machen können und eben ihren eigenen Ausdruck auch finden in dem, was sie tun. Ich war auch Kunstlehrerin, also das war schon auf jeden Fall das richtige Fach. Aber ich habe einfach in Corona gemerkt, dass ich in dieses Schulgebäude nicht mehr reinlaufen möchte und dass ich chronisch überfordert bin. Und wenn ich das noch länger macht, dann werde ich einfach körperlich und seelisch krank werden. Und genau dann war für mich klar, dass es so nicht weitergeht. Da hatte ich immer meine Verbeamtung schon gekündigt und war nur noch angestellte Lehrerin, weil Verbeamtung ist auch noch mal eine andere Nummer. Da kannst du ja nicht mal entscheiden, an welcher Schule du arbeitest. Ich war glaube ich die kürzeste Beamtin aller Zeiten. Ich war nicht mal einen Monat habe ich das ausgehalten.
Also ich habe weiterhin sehr stark in Sicherheit gedacht, weil ich immer noch diesen Glaubenssatz hatte, dass ich von der Fotografie nicht leben kann. Und dann habe ich eine Ausstellung gemacht mit 13 anderen Münchner Fotografinnen, und meine Arbeit kam supergut an und habe aber dann irgendwann gemerkt im Verlauf dieser Ausstellung, dass alle anderen 13 Fotografinnen zu 90 % hauptberuflich und ein oder zwei waren, glaube ich nebenberuflich als Fotografin selbstständig, davon nahezu ausschließlich leben. Und ja, dass das eben schon möglich ist und dass ich auch mich in dieser Welt der Fotografie und zwischen diesen anderen Frauen sehr wohl fühle und viel mehr zu Hause fühle als im Lehrerzimmer. Also ich war vormittags quasi in der Schule und nachmittags in der Ausstellung oder beim Aufbau der Ausstellung. Und bei der Vernissage kamen dann auch diese beiden Welten zusammen. Die sind dann aufeinander gestoßen und wo man dann die ganzen Lehrer da und der Direktor und die ganzen Fotografinnen und das waren diese zwei Welten. Und ich habe so gemerkt, dass ich einfach in die eine Welt überhaupt nicht rein gehöre. So nett die Menschen waren, es war einfach nicht meine, mein Zuhause.
Julia: Und ich hör jetzt so, dass das wie so der Proof of Concept für dich war, dass du gesehen hast, die anderen zwölf Fotografen leben davon. Und war das dann auch dieses Gefühl, dass du dich dort zu Hause gefühlt hast? Und es war dann einfach ein Gefühl, das du gesagt hast, du hörst das andere auf. Oder war das dann die Sicherheit zu wissen, Du kannst es auch, weil die anderen es auch können? Das war der letzte Anstoß. Das Gefühl, du lässt das jetzt.
Lissy: Also es gab halt viele kleine Anstöße. Ich glaube schon. Als ich meine Verbeamtung gekündigt habe, war ich mir darüber bewusst, dass es noch eventuell andere Lebenswege für mich gibt. Dass es dann so schnell passiert, hätte ich nicht gedacht. Aber es sind so viele Kleinigkeiten zusammengekommen. Ich glaube, diese Ausstellung hat mir einen Riesen-Push gegeben, weil ich einfach sehr viel positives Feedback da bekommen habe. Und allein schon die Möglichkeit zu haben teilzunehmen war für mich wirklich was Besonderes. Aber insgesamt gesprochen gab es jetzt nicht den einen Auslöser.
Julia: Aber es ist wie so ein Anker dieser Ausstellung. Da hast du dann gemerkt, so, wow, das geht.
Lissy: Das war ein Wendepunk, ja, das war ein Wendepunkt in meinem Leben. Die Kündigung der Verbeamtung auch. Und dann gab es noch einen dritten Wendepunkt, den ich noch erzählen kann. Und zwar habe ich dann ein Gründungscoaching beantragt und habe ein Konzept ausgearbeitet. Ich bin ja ausgebildete Pädagogin und hab mich so mindestens zehn Jahre meines Lebens super intensiv mit Autismus beschäftigt. Ich habe dann auch eine Ausbildung zur Autismus Fachberatung gemacht. Ich hatte da eine sehr coole Geschäftsidee, wie ich mit autistischen Kindern künstlerisch arbeiten kann, aber auch ihnen ja bestimmte andere Dinge vermitteln kann und gleichzeitig aber auch mit den Eltern arbeiten kann, weil, also es steht und fällt ja dann am Ende mit der Familie, wie so ein Kind sich entwickelt. Und im Bereich des Autismus gibt es da einfach wenig Wissen und wenig Aufklärungen, weil ich da wirklich auf allen Ebenen so viel Erfahrung schon habe. Mit dem Thema wollte ich das eigentlich ursprünglich machen und es wurde mir auch immer von allen Seiten gesagt, dass das halt eine Zukunft hat, weil das ist eine absolute Marktlücke und es ist ein geiles Konzept. Es gibt auch schon alles für dieses Konzept. Also es gibt nicht nur das Konzept, es gab auch schon den Raum, wo das stattfinden würde. Die ganzen Materialien und viele, viele andere Dinge hatte ich schon alles vorbereitet und die Grundidee war, dass ich mit der Fotografie so mein zweites Standbein quasi also das bleibt quasi so meine Leidenschaft. Ja. Und das ist dann nicht passiert.
Julia: Ja, und jetzt? Und eigentlich hast du dann so ein Konzept entwickelt, wo es eine Marktlücke gibt, wo du Wissen aus deinem Pädagogikstudium und deiner Erfahrung mit Autimsus und dann bist aber trotzdem Vollzeitfotografin geworden, weil du es gefühlt hast, weil das dein Herzensding ist.
Lissy: Ja, genau, das ist eigentlich auch dann automatisch passiert. Ich habe dann diesen Gründungszuschuss beantragt. In dem Konzept stand, dass ich an 70 % des Geldes, das ich bekomme, gebe ich für dieses Autismus Business aus und auch dementsprechend ist auch mein Einkommen verteilt. Also dass die Fotografie einen kleineren Teil einnimmt und ich habe ja nahezu nichts in dem Bereich gemacht. Und das kam dann tatsächlich von außen. Also die anderen Wendepunkte, die ich erzählt habe, das waren immer so innere Entscheidungen und die Anfragen in Bezug auf Fotografie, die kamen dann von außen. Da habe ich noch nicht mal eine Webseite und habe halt auf Instagram immer mal wieder Fotos gepostet und das kam sehr gut an und gewissermaßen fülle ich da auch eine Marktlücke mit meiner Fotografie. Und dadurch habe ich dann schon im ersten Jahr war ich tatsächlich dann sehr schnell ausgebucht und habe dann sogar in der Hauptsaison einen Monat Pause eingelegt. Irgendwie war das, glaube ich, weil ich so viele Aufträge hatte, dass ich echt gedacht habe das gibt es ja wohl nicht. Ja.
Julia: Also was ich jetzt noch mal total spannend finde. Also du weißt, ich coache auch Gründerinnen und da gibt es ja immer so einen Plan, was man macht. Wir haben vorher auch kurz drüber geredet und ich habe jetzt gehört, Du hattest auch so einen gewissen Businessplan. Und dann kam aber von außen der Impuls voll auf Fotografie zu gehen und dass du eigentlich, ohne jetzt extrem präsent am Markt zu sein, direkt ausgebucht warst. Einfach weil du auf Instagram Fotos gepostet hast und offenbar in so eine Marktlücke rein bist, die dir vorher gar nicht so bewusst war, oder? Also es hörte sich so an und auch, dass du mit deinem Autismus Konzept sehr durchdacht gewesen bist.
Lissy: Ja.
Julia: Aber offenbar haben die Frauen nicht mehr gebraucht.
Und vielleicht noch mal kurz für die die, die dich jetzt nicht kennen. Was ist denn genau deine Marktlücke? Also was unterscheidet dann deine Art zu fotografieren von anderen?
Lissy: Ich habe meine Marke Soul Photo genannt, also Seelen Fotos und mir geht es um den Prozess, der in einem Shooting passiert. Also die Fotos sind Dokumente von dem Erlebnis, von dem Prozess, von den Gefühlen, die man in einem Shooting durchläuft. Und daher ist mein kompletter Arbeitsansatz einfach anders, weil der nicht produktorientiert ist, sondern prozessorientiert. Und da arbeiten ich sehr stark mit meiner Feinfühligkeit und mit meiner Fähigkeit, auf Menschen einzugehen und auch in ihnen etwas zu sehen, was sie oft selbst noch nicht sehen und wie so ein es menschlich ja oft von dieser, von dieser zukünftigen Version, von sich selbst und die ist ja immer da, aber nicht immer sichtbar und fühlbar für einen selbst. Und im Außen kann die viel einfacher beobachtet werden durch Menschen. Und in so einer engen 1:1 Zusammenarbeit vor einem Shooting in der Planung schon fühle ich einfach gerade, wo die Person steht und auch was ihre Fähigkeiten sind und kann dadurch zum einen den Konzept sehr klar ausrichten auf die zukünftige Version von der Person und zum anderen dann im Shooting auch die Person herausfordern und anleiten, dass sie über diese Schwelle geht und sich auch Dinge traut und sich auch traut sich zu zeigen, als diese in dieser Essenz.
Julia: Ich finde, das hört sich so schön an, wenn ich nicht schon einen Shooting gebucht hätte, würde ich das direkt noch mal machen. Und übrigens auch noch mal so als Feedback: mir hat das damals total geholfen. So dieses Fühlen. Ich werde zum Beispiel überhaupt nicht gerne fotografiert und hab das Gefühl, ich muss mich verstellen. Und ich finde, Du hast das immer gemerkt, wenn ich nicht locker war und dann kam ich auch wieder ins Fühlen und das finde ich, sieht man auch auf den Fotos tatsächlich.
Aber jetzt noch mal zurück: Wie war das eigentlich für dich, dass du dann da direkt ausgebucht warst? Weil du hast ja eigentlich schon, wie du gesagt hast, zehn Jahre studiert und warst Pädagogin und hattest Erfahrung mit Autismus? Hast du das dann vermisst oder warst du total happy, einfach zu fotografieren, weil das dein Kindheitstraum war?
Lissy: Also ich fahre regelmäßig mit erhobenem Mittelfinger an Schulen vorbei. Ich glaub, mehr muss ich dazu nicht sagen. Es ist wirklich auch immer noch so, also nichts gegen nichts gegen Lehrer, wirklich und nichts gegen das System Schule. Aber ich bin einfach so froh, dass ich da draußen bin. Ich bin so frustriert von diesem System und sehe da so wenig Weiterentwicklung. Und meine Werte sind unter anderem Freiheit, Weiterentwicklung und Lebendigkeit. Und all diese drei Werte haben im Schulsystem leider nichts zu suchen oder werden da leider überhaupt nicht verwirklicht. Und daher geht es mir grandios gut, seit ich nicht mehr in die Schule gehen muss.
Julia: Mich macht es auch gerade ein bisschen traurig, was du sagst, weil du weißt, ich habe eine Tochter, die auch zur Schule geht. Und mein Wunsch wäre eigentlich, das Schulsystem zu verändern. Also auch wenn das jetzt nicht mit deinem Business zu tun hat, was glaubst du, alles müsste passieren, dass sich das Schulsystem verändert, weil die Kinder brauchen ja eigentlich auch Lebendigkeit und Weiterentwicklung. Also was glaubst du, müsste da passieren?
Lissy: Also mich macht es auch traurig, weil in unseren Kindern ja unsere Zukunft lebt und weil ich ja auch selbst gesehen habe, was so ein System mit Kindern macht und vor allem auch mit Lehrern oder auch mit Lehrern. Das ist so viel, was da geändert werden müsste, dass ich jetzt keine konkrete Antwort geben kann.
Ich denke, es ist halt ein Scheuklappensystem und es ist sehr reaktionär, also sehr rückwärtsgewandt. Und was ich am meisten schade finde, ist, dass inspirierte und fähige junge Lehrkräfte nicht gesehen werden in ihren Fähigkeiten, weil die könnten ja eine Änderung herbeiführen, aber weil das Konzept zu starr ist und eben ja so reaktionär, gehen dann diese Menschen zu Grunde, weil sie versuchen ihre Gabe oder ihre Berufung auszuleben innerhalb des Systems und leider häufig daran zerbrechen. Ja und ich denke halt, Bildung ist so was wie Gesundheit oder so wie Gesundheit ist Bildung auch etwas sehr wichtiges in einem System oder in einer Gesellschaft. Ja, das hat einen sehr hohen Stellenwert. Das entscheidet maßgeblich über die Zukunft von uns allen. Und das Bildungssystem in Deutschland ist einfach leider sehr schlecht.
Julia: Na ja, also zumindest vielleicht in all dem, was den Bogen zurück zur Selbstständigkeit schlägt: Alles, was vielleicht eine Selbstständigkeit ermutigt, nämlich ausprobieren, lernen, einfach mal machen – ist ja vielleicht nicht so der Kern des Schulsystems.
Lissy: Und im Schulsystem hat Selbstständigkeit ja auch keinen Platz. Also man macht dann ja schon so berufliche Orientierung und auch so Tests. Und alles, was dabei vermittelt wird oder in den Tests dann auch als Ergebnis herauskommt, sind ausschließlich Angestelltenberufe. Also die Schulwelt tut so, als würde die Selbstständigkeit nicht existieren und das finde ich auch sehr, sehr schade.
Julia: Ist auch spannend. Das sagt ja auch immer Madame Moneypenny, dass wir eigentlich auch zu guten Angestellten erzogen werden oder gebildet werden. Aber dass Selbstständigkeit ja gerade für Frauen extrem viel Spielraum bedeutet, auch Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Selbstverwirklichung, finanzielle Unabhängigkeit.
Ja, und um jetzt mal wieder den Bogen zu deiner Selbstständigkeit zu schlagen:
Ich habe jetzt gehört, das ist im ersten Jahr quasi wie von selber lief, dass Fotos auf Instagram gepostet, Du hast ausgebucht und muss dann quasi direkt selber die Bremse reingehauen und hast zur Hochsaison Pause gemacht, weil du schon so ausgebucht warst. Wie ging es denn dann für dich weiter und wie bist du auch damit umgegangen, dass du schon direkt so viel Erfolg hat? Wie hat sich das für dich angefühlt?
Lissy: ersten Jahr sehr gut. Und sehr erfüllend. Und im zweiten Jahr war dann eher eine Stagnation zu verzeichnen. Finanziell. Da habe ich dann aber schon höhere Preise genommen, weil ich einfach die Wertigkeit hinter meiner Arbeit sehr viel mehr gefühlt habe. Und das war dann tatsächlich eine große Herausforderung, weil ich durch meine höheren Preise natürlich dann auch mehr Zeit hatte. Also ich habe dann quasi im zweiten Jahr ungefähr dasselbe verdient wie im ersten Jahr, aber ich war quasi „unterbucht“.
Das, was im ersten Jahr so krass passiert ist, war im zweiten Jahr dann eher rückläufig oder gegenteilig. Ich hatte einmal sogar auch zwei Monate in Folge, da habe ich in dem einen Monat das 50 -ache von dem Einkommen wie im Monat zuvor gehabt. Also völlig krass. Und dann habe ich so gemerkt auch, wie unsicher Selbstständigkeit ist, dass es eben auch sein kann, dass man mal fast gar nichts in einem Monat verdient und dann in einem Monat, wo man denkt, das wäre jetzt wieder so der Monat, wo nichts passiert. Ja, plötzlich geht es voll ab. Oder auch dieses Jahr war im Januar mein höchster Monatsumsatz und das hätte ich halt nie gedacht.
Ich bezeichne mich oft als Empowerment Fotografin. Ich habe ja vorhin schon so ein bisschen drüber erzählt über diesen Prozess, und ganz viele meiner Shootings finden in der Natur statt, weil viele meiner Kunden sind einfach naturverbundene Menschen, feinfühlige Menschen, viele Coaches und auch viele spirituelle Menschen. Die wollen draußen fotografieren und die fotografieren lieber draußen, wenn die Sonne scheint oder wenn es zumindest warm ist.
Nichtsdestotrotz lief der Januar ganz gut und im zweiten Jahr, da hatte ich dann auch so ein Tief, wo ich gemerkt habe, so kann und möchte ich nicht weitermachen, weil ich diese Stagnation gefühlt habe, nicht nur finanziell. Das fand ich ehrlich gesagt gar nicht so schlimm, sondern eher energetisch: So eine Stagnation war da. Ich war nicht mehr inspiriert von mir selbst und von meiner Arbeit und bin so ein bisschen aus dem Flow rausgekommen.
Julia: Also das fand ich spannend und erst mal schön, dass Du das so offen teilst, weil ich glaube, viele Selbständige kennen das. Was hast du denn gemacht, um dann in den Flow wieder reinzukommen?
Lissy: Ein Coaching gebucht – das wird dich jetzt sicherlich freuen, oder? Weil Du Coach bist.
Julia: Ja, aber ich bin auch wirklich neugierig. Also jeder hat unterschiedliche Antworten, weißt du, der eine sagt: Nee, ich putze oder ich mach Lego. Also es gibt so viele Antworten und alles stimmt.
Lissy: Nein, also ich finde, es ist so mit Coaching: Das ist ja auch teilweise etwas verrufen, weil die Begrifflichkeit nicht geschützt ist und weil es auch schwarze Schafe auf dem Markt gibt. Ähm, und ich persönlich finde das grandios, dass es Coaches gibt und deswegen habe ich das jetzt auch so bewusst rausgeknallt, weil ich auch sehr eine sehr hohe Bereitschaft habe, da viel Geld reinzuinvestieren. Ich habe mir konkret einen ADHS-Coach gesucht, weil ich ADHS habe, also eine Frau, die sich auf selbstständige Menschen mit ADHS muss spezialisiert hat. Und da hab ich mich zu Jahresanfang dafür entschieden, mich da einfach begleiten und unterstützen zu lassen.
Du hast glaube ich zu anfangs von dem Spagat gesprochen, oder?
Julia: Ja.
Lissy: Falls es noch nicht gesagt wurde: Es ging ja auch in unserem Vorgespräch um den Spagat zwischen Flow, Intuition, Inspiration, Kreativität auf der einen Seite und Struktur, Bürokratie, Finanzen auf der anderen Seite. Jetzt bin ich Künstler, ich bin ADHSler, ich bin hochsensibel. Also ich bin halt einfach nicht auf der strategischen und strukturellen und finanziellen Seite enfach nicht sehr stark. Und genau dafür habe ich mir ein Coaching gesucht. Und das tut so gut, jemanden zu haben, der einen in den Punkten unterstützt. Und ich muss sagen, das hat in den letzten Monaten bei mir unsagbar viel verändert.
Julia: Übrigens, also du weißt, ich bin eher so „Sharing ist Caring“. Du darfst auch gerne den Namen dieser oder dieses Coachin sagen – du hast mir ja auch davon erzählt, dass wie viel Prozent der Selbständigen nach Statistik ADHS haben?
Lissy: Also angeblich 62 %, total krass. Das ist eine Ziffer, die natürlich, ja schwer zu ermitteln ist. Auch weil die Dunkelziffer bei ADHS sehr hoch ist und natürlich auch, weil das ein Spektrum ist, oder? Ja, also ich sage immer Spektrum dazu, weil jeder hat Anteile und die Frage ist einfach, sind die so stark, dass es dass man das so nennen kann und auch dann, mein Gott, das ist halt wieder diese Schublade, in die man gesteckt wird oder sich selbst steckt. Aber tatsächlich finde ich es sehr spannend. Ich glaube, in der Bevölkerung vermutet man 10 % ADHSler und bei den Selbständigen sind es 62 %. Es gibt auch viele bekannte und berühmte Persönlichkeiten, die Autismus oder ADHS oder beides haben. Und genau bei den Unternehmern ist diese Quote sehr hoch und besonders in der kreativen Dienstleistungsbranche ist die auch noch mal höher, weil Menschen mit ADHS einfach unsagbar leidenschaftlich und kreativ unterwegs sind. Und da sie so gerne ihr eigenes Ding machen und nicht so Hierarchie-konform gehen, sind sie einfach auch gerne selbstständig.
Julia: Ja und zu diesem Spagat was nimmst du da gerade für dich mit? Also wie gehst du denn dann zum Beispiel mit deiner, sag ich mal überbordenden Kreativität, vielleicht auch Emotionalität um? Das habe ich auch bei Kreativen beobachtet und du hast es mir vorher schon gesagt, aber dann mit so was wie Struktur. Du musst dann eine Umsatzsteuervoranmeldung machen oder deine Steuer – wie bist du da gerade? Also was hilft dir da gerade?
Lissy: Also ich habe schon immer eine Steuerberatung. Ich würde auch nie im Leben das selbst machen, weil mir das so viel Energie zieht, dass ich dann arbeitsunfähig werde. Für mich ist es schon schlimm genug, dass ich der einmal im Quartal meine Belege zukommen lassen muss. Das führt zu regelmäßigen Dramen. Ich hatte im ersten Jahr zum Beispiel eine virtuelle Assistenz, in die ich auch sehr viel Geld investiert habe. Die hat mir gewisse Strukturen abgenommen. Und ich bin ein absoluter Teamplayer. Ich kann im Team viel besser und die Selbstständigkeit ist ja teilweise auch so ein bisschen Einzelkämpfer. Besonders am Anfang, weil man einfach Solopreneur ist. Also der Name sagt es ja schon. Und das hat mir sehr geholfen, mir da einfach Unterstützung zu holen. Also ich gebe sehr, sehr gerne mein Geld aus für Weiterentwicklung oder für Maßnahmen in meiner Selbstständigkeit, die mich unterstützen, damit ich mich weiterentwickeln kann. Und da finde ich Hilfe sinnvoll und wichtig.
Julia: Hört sich erst mal schön und vernünftig an zum Steuerberater. Ich hab auch einen – ich bin ja strukturiert, aber hilft auch es abzugeben. Ich habe nicht diesen Mindfuck, vor allem wenn was vom Finanzamt zurückkommt und die Fragen haben – da finde ich toll, wenn ein Experte denen antworten kann.
Lissy: Absolut.
Julia: Also ich schaue so ein bisschen auf die Uhr – ich bin auch am Ausprobieren: Wie lange dauern die Interviews? Ich glaube so eine halbe, dreiviertel Stunde ist ganz gut. Wenn du jetzt so zurückblickst, gibt es irgendwas, was du am Anfang deiner Selbstständigkeit gerne schon gewusst hätte? Das, was du jetzt total verinnerlicht hast oder was dir jetzt ganz wichtig ist in deiner Arbeit.
Lissy: Ich überlege.
Julia: Nimm dir Zeit.
Lissy: Ja. Du hast vorhin von den Emotionen gesprochen. Und dass kreative Menschen so überwältigt von Emotionen sein können. Und diese starken Schwankungen in der Auftragslage und entsprechend auch finanziell. Die sind anstrengend. Und da hätte ich gerne zu Beginn der Selbstständigkeit einfach gewusst. Oder besonders dann im zweiten Jahr, dass das völlig normal ist und dass es einfach mal nichts zu bedeuten hat, weil es auch wieder bergauf geht.
Julia: Wie gehst du denn mit so einer Riesenschwankung um? Hast du da für dich jetzt einfach das Vertrauen, dass du weißt, es geht wieder bergauf? Oder hast du jetzt einen finanziellen Puffer? Oder bist du einfach entspannter, weil du weißt, es geht bergauf und bergab? Wie gehst du jetzt damit um? Versus wie bist du vor einem Jahr vielleicht noch damit umgegangen?
Lissy: Ja, also ich bin mit einem großen finanziellen Puffer in die Selbstständigkeit gestartet und der ist schon deutlich kleiner geworden. Aber es ist immer noch ein bisschen Geld da und das ist für mich total wichtig. Also hätte ich die nicht, dann hätte ich da viel weniger Sicherheit. Ich hasse es, das Gefühl zu haben, ich muss jetzt etwas verkaufen, weil ich will nur mit Menschen zusammenarbeiten, die wirklich zu mir passen und die auch den Wert hinter meiner Leistung sehen und nicht aufgrund eines vermeintlichen Marktes oder einer vermeintlichen Nachfrage, eventuell meine Preise, mein Angebot oder irgendwas anderes anpassen. Und dank dieses finanziellen Puffers habe ich einfach sehr, sehr viele Freiheiten. Wie zum Beispiel, dass ich dieses Coaching da gebucht habe und das übrigens bei der Annika Walter, weil du vorhin gefragt hast, wie die Frau heißt. Die heißt Annika Walter und hat einen ziemlich coolen Instagram Account für alle selbstständigen, die manchmal etwas verpeilt sind. Ja, und das würde ich auch wirklich jedem Selbständigen empfehlen. Also ich persönlich finde es besser, einen Puffer zu haben als eine zweite, quasi noch eine Teilzeitstelle. Das war jetzt für mich besser, weil ich wollte mich wirklich dann auf diese eine Sache fokussieren und es hätte mich zu viel Ablenkung gekostet, parallel dann noch zu arbeiten. Also für mich persönlich war das war es sinnvoller, da eben ja mit einer mit einer Rücklage zu starten.
Julia: Erstmal finde ich das schön, wie du es sagst. Was ich jetzt auch wirklich spannend fand, war wirklich auch dieser offene Umgang mit Emotionen, weil das kann ich auch sagen, auch wenn ich jetzt selber nicht nur kreativ arbeite. Ich war schon auch überrascht, dass manchmal auch wie so eine Angst da war oder so eine Unsicherheit und ich am Anfang nicht so genau wusste, wie man damit umgeht. Und ich bin auch so mit der Zeit gewöhnt man sich dran. Bei mir wird mein Horizont so ein bisschen kürzer. Also ich habe immer noch einen Forecast, aber ich bin ja mehr so im Jetzt. In den nächsten drei Monaten.
Früher immer noch so in ein, zwei, drei Jahren war, was natürlich total stresst, weil du nicht weißt, was in drei Jahren ist. Und vor allem, wenn du jetzt nicht aufgeladen bist oder Energie hast. Ist ja auch schwierig, überhaupt weiterzukommen.
Also eher so, um jetzt zu sagen, was Dir geholfen und was mich auch noch interessiert, dass das dann nämlich auch nur so kurz angeschnitten ist, so dieses Einzelkämpfersein.
Also ich habe noch schnell gemerkt, mir hilft es total, mich mit anderen zusammenzutun, auch eigene Projekte entstehen zu lassen und mit anderen zusammenzuarbeiten, in welcher Form auch immer. Und dass du dir zum Beispiel eine virtuelle Assistenz genommen hast, die dir Sachen abgenommen hat, dass du aber auch bei der Auswahl deiner Kundinnen eigentlich schaust mit wem willst zusammenarbeiten?
Und hat sich da was verändert, seit du gestartet bist? Wo stehst du da jetzt? Also wie schaffst du es, die auch so ein Team Gefühl aufrechtzuerhalten, auch wenn du an sich alleine selbstständig bist?
Lissy: Also ich liebe es gemeinsam mit anderen Menschen Coworking zu machen, also mich tageweise zu treffen. Bei mir zu Hause, bei denen zu Hause in im Café. Ich bin auch sehr viel in Cafés alleine unterwegs. Ich weiß immer, also wenn, wenn ich gefragt werde, welches Café cool ist, dann kann ich immer eher die Anzahl der Steckdosen in einem Café nennen, als was da auf der Speisekarte steht. Und. Dann habe ich natürlich inzwischen eine sehr große Community an Frauen, die ich, also die von Kundinnen zu Bekannten oder Freundinnen wurden, die auch selbstständig sind, mit denen ich mich auch treffe.
Also ich denke, die ersten Jahre der Selbstständigkeit sind immer sehr herausfordernd, was diese Punkte angeht, wie auch dieses gefühlte Einzelkämpfertum. Aber man findet dann seine Strategien und Wege und ich versuche jetzt auch mehr auf Events zu fotografieren, weil das ist auch eine tolle Möglichkeit. Also zum einen mag ich es sehr, auf Events unterwegs zu sein mit Kamera, weil ohne Kamera finde ich es anstrengend und ich kann da auch meine Beobachtungsgabe superschön einsetzen und es ist eine komplett andere Form des Fotografierens, weil ich nicht den Raum halte und mich anleite, sondern etwas, das geschieht beobachtend festhalte. Mit meinem eigenen individuellen Blick. Da treffe ich natürlich dann auch immer wieder Leute,, also da habe ich dann dieses Communitygefühl – das ist einfach auch sehr schön.
Julia: Genau, jetzt haben wir uns ja eigentlich auch jetzt vor zwei Monaten wieder gesehen und ich habe mich total gefreut, dich zu sehen und übrigens nur so kleine Seitenwerbung: Ich fand es total lustig, auf so einem Event zu sein. Das war das Female Future Festival und ich hatte vorher schon so ein bisschen Vorbehalte, wie das ist und fand das aber lustig, weil ich finde, ich habe ganz tolle Frauen kennengelernt und ich fand auch die Formate gut und habe auf jeden Fall Inspiration und Kontakte mitgenommen und fand es schön, dich wiederzusehen.
Lissy: Sehr schön. Ja, ja.
Julia: Und wenn du jetzt noch mal so in Zukunft für dich gibt es das, was du dir jetzt wünschen würdest. Oder etwas, wo du gerade auf dem Weg bist, was vielleicht in dir schlummert und so in den nächsten zwei, drei Jahren rauskommt?
Lissy: Also ich hatte jetzt gestern und vorgestern ein Shooting in Wien und meine Shootings sind super – ich sage mal intime und intensive Räume. Und ich merke immer mehr, dass die Langsamkeit und die auch die Dauer von so einem Shooting ganz, ganz wichtig sind. Ich bin nicht jemand, der gerne eine Stunde lang jemanden fotografiert. Ich will mir Zeit nehmen, ich will die Person kennenlernen.
Ich habe manchmal das Gefühl, dass das auch sehr viele Coaching Aspekte beinhaltet, was ich mache. Und ich möchte ja eigentlich relativ bald nur noch umfangreichere Shootings anbieten, wo ich mindestens einen kompletten Tag mit einer Person verbringe.
Ich kann das mal skizzieren, wie das jetzt zum Beispiel gestern und vorgestern war, weil das war wirklich sehr schön. Also eine Gründerin hat mich gebucht für ein Halbtages-Shooting und wir haben im Vorfeld waren wir schon in einem ziemlich intensiven Prozess.
Wo die Selbstständigkeit hingeht und welche Qualitäten sie auf den Fotos auch verkörpern möchte. Also was ihre Zielgruppe so braucht, was sie auf ihrer Website gerne hätte und wohin sie sich entwickeln möchte. Da haben wir uns ein Shootingkonzept erarbeitet und hatten ein paar Calls, wo wir da wirklich tief eingetaucht sind in ihre Selbstständigkeit.
Und im Shooting selbst waren wir dann gemeinsam in Wien in einem unsagbar schönen Airbnb mit Dachterrasse und einem tollen Lichteinfall im fünften Stock mit Westausrichtung. Und wir hatten einfach so zwei so krass schöne Tage. Am Sonntagnachmittag haben wir uns so ein bisschen auch mal live kennengelernt und eine schöne Zeit zusammen verbracht. In Wien, waren spazieren, waren schön essen und dann haben wir abends so die erste Session gemacht. Dann haben wir uns nachts noch ganz lange unterhalten, haben dann sogar kurz ausprobiert, mitten in der Nacht auf der Dachterrasse mit Champagner und pinken Stöckelschuhen auf dem Tisch.
Dann haben wir aber gemerkt leider, dass der Himmel zu dunkel ist, weil es war Sternenhimmel und es war kein Mond. Da ist dann wirklich trotz Blitz halt einfach der Hintergrund zu dunkel und am nächsten Tag haben wir dann einen sehr, sehr abenteuerlichen Shooting-Tag noch in Wien erlebt und ich merke, dass die Menschen sich komplett anders öffnen, wenn sie sich an diesen neutralen Orten befinden und auch die Inspiration und der Flow viel mehr da ist.
Weil so ein Raum, der so energetisch, so frei ist, ja einem so die Möglichkeit gibt oder auch einfach eine andere Stadt sich wirklich so zu öffnen. Also vielleicht kennst du das oder vielleicht kennen die, die zu hören, das. Das sind die Momente, wo man auch in den Urlaub fährt oder irgendwie ein Flugzeug einsteigt. Da fällt ganz viel von einem ab und da ist man dann viel mehr die Version, die man wirklich ist, weil dieser ganze Alltag, die To Do Liste, all die Dinge, all die materiellen Dinge, die man besitzt, das spielt einfach erst mal keine Rolle mehr. Man ist da mit seinem Koffer und mit sich selbst. Deswegen ist Reisen etwas, was mit sehr viel Freiheit auch verbunden ist. Und da merke ich, dass das meinem Shootingkonzept sehr zugute kommt und daher wird es ab bald auch keine einstündigen Shootings mehr geben, sondern wirklich nur noch diese Halbtags- und Ganztages-Begleitungen, die sich dann in der mehrtägigen Zusammenarbeit äußern.
Julia: Schön, Also eigentlich tiefer gehen. Auch wieder tantrisch langsam fühlen…
Lissy: Schön. Ja.
Julia: Und du schaffst es ja schon auch so eine Verbindung zwischen dir und den Menschen. Du fotografierst, da entsteht ja auch was Neues.
Lissy: Ja, man lernt sich bei einem Shooting auf einer tiefen Ebene kennen. Und das ist sehr berührend, was da passiert. Und ich bin wirklich sehr, sehr dankbar, dass ich das immer wieder miterleben kann, wie die Menschen sich selbst begegnen. Und dadurch, dass ich dabei sein darf, wie sie sich selbst begegnen, entsteht eine tiefe Verbundenheit und ein tiefes Vertrauen. Da sie sich ja auch in eine verletzliche Position begeben. Und das würden Sie nicht machen, wenn Sie mir nicht vertrauen würden. Und gleichzeitig öffne ich mich ja auch sehr und mache mich sehr transparent und zeige mich. Und dadurch ist es oft so, dass ich sagen muss, ich kenne dann oft meine Kundinnen eigentlich besser, als ich zum Beispiel früher meine Freundinnen gekannt habe, weil es einfach ein sehr maskenloses sich zeigen und ja, sich selbst erleben ist in so einem Shooting.
Julia: Ich finde es gerade so schön, wie du das sagst, dieses Maskenlose, weil das auch so ein bisschen mein Ansinnen für den Podcast, so ohne Maske auch mal offen zu sprechen, wie das so ist immer Selbstständigkeit. Und ich finde auch schön, dass du wirklich auch viel geteilt hast, Weil wir haben vorher im Vorgespräch auch ein bisschen drüber geredet, dass manchmal so die Gründerszene ja immer so ein bisschen, manchmal auch maskulin und testosterongesteuert gezeigt wird, so Erfolg und Zahlen und das wäre vielleicht auch noch so meine, vielleicht so noch mal meine Abschlussfrage. Da ist eigentlich schon was zu viel gesagt, aber wie misst du für dich den Erfolg deiner Arbeit also. Klar, Geld und Puffer habe ich gehört, auch die Verbindung. Aber was ist denn für dich Erfolg? Wie lief denn für dich ein Projekt oder eine Zusammenarbeit, wenn Du sagst: Hey, das hat sich richtig gut angefühlt!
Lissy: Ja, also, ich hab herausgefunden, dass Geld nicht meine Motivation ist. Es gibt Menschen, bei denen ist Geld ganz stark die Motivation. Die machen dann Online Gruppen-Programme und skalieren. Das ist völlig fein. Die haben dann einfach ganz andere Umsätze, wie jemand, der eins zu eins arbeitet. Aber da Geld nicht meine Motivation ist, werde ich auch in die Richtung nicht skalieren wollen. Also mir geht es im Leben darum, dieses Gefühl von Freiheit, Lebendigkeit und Begegnung, Beziehung ist auch noch einer von meinen fünf Werten, zu haben. Und für mich ist Selbstständigkeit dann erfüllend, wenn ich in diesem Erleben bin. Also wenn ich sehe und fühle und rieche und mich bewege. Ich bin auch ein sehr hedonistischer Mensch. Ich genieße sehr viel und sehr gerne und ich habe zum Beispiel noch kein Shooting, das nicht total Spaß gemacht hat und immer mit einer Riesen-Leichtigkeit daherkam. Und das macht meine Arbeit glaube ich auch sehr stark aus, weil ich diese Werte halt verkörpere und lebe und da auch eine mitreißende Energie habe und dadurch dann auch meinem Gegenüber erlaube, mal out of the box zu denken und sich auch zu trauen, eine Idee zu äußern oder was zu sagen, was ja gut finde und dann auch mal was verrücktes zu machen und dementsprechend dann eben auch Fotos zu haben, die halt krass aus der Masse herausstechen und nicht so dieses Mainstream-Business-Shooting-Gedöns sind, sondern wirklich Fotos, die eine Energie transportieren und die einfach anders sind.
Julia: Ja und dann bist du auch happy, wenn das Shooting vorbei ist und die Fotos siehst und du da auch diese Verbindung fühlst.
Lissy: Und ja, das ist so meine Erfüllung. Also ich finde Finanzen extrem wichtig und ich merke auch ich, das ist halt wichtig, dass ich nicht nur noch arbeite. Deswegen sind Preise was ganz Wichtiges. Aber Erfolg ist für mich in erster Linie, dieses Erlebnis zu kreieren und dann aber auch selbst zu erleben. Ich bin ja Teil davon.
Julia: Und jetzt, Lissy, Wenn man dich so hört, wird gibt es irgendwas, was du anderen mitgeben würdest. Also wo du sagst: Hey, das habe ich echt krass gelernt und gemerkt. Also so als Abschluss Wort von dir: Was würdest du gerne teilen wollen?
Lissy: Ich würde gerne den kreativen Menschen, die hier gerade zuhören und schon selbstständig sind oder sich überlegen, es zu werden, den Satz mitgeben: Kenne deinen Wert und halte ihn auch.
Julia: Und wenn jetzt jemand zuhört und sich fragt: Was ist denn mein Wert? Wie lerne ich den? Was heißt das?
Lissy: Ich meine damit, dass kreative Dienstleistungen etwas sehr Wichtiges sind und bereichern das, was die Menschheit wirklich braucht und dass viele kreative Dienstleister sich sehr stark in ihren Werten drücken, also in ihren Preisen drücken lassen oder selbst auch klein machen und dadurch dann aber die Inspiration und die Leidenschaft darin verlieren, weil sie einfach nicht gut davon leben können. Und ich glaube, dass Kunst und Leidenschaft leben nur möglich ist, wenn man im Flow ist. Und deswegen beginnen schon ganz viele gar nicht, sich mit ihrer Leidenschaft selbstständig zu machen, weil sie Angst haben, die dann zu verlieren. Und das ist einfach meistens der Grund oder der Grund dessen ist einfach meistens, dass sie ihren eigenen Wert nicht kennen oder sich nicht trauen, ihn in einer Zahl auszudrücken und zu messen. Und das finde ich sehr schade.
Julia: Ja und wie hast du es geschafft, einen Wert in einer Zahl auszudrücken und zu kommunizieren und zu messen für dich?
Lissy; Das ist ein Prozess. Und zum Beispiel, wenn ich einen Preis für ein Shooting nehme, der sich für mich gut anfühlt, dann kann ich halt wirklich 120 % geben und auch in so eine Over Delivery gehen. Und wirklich von dem allerersten Call bis zu den fertigen Fotos komplett für meinen Kunden da sein und dann meine ganze Leidenschaft und Inspiration und künstlerischen Fähigkeiten mit einbinden. Und ich würde auf Dauer die Lust verlieren, wenn ich Preise nehmen würde, wo ich merke, dass der Austausch nicht stimmt. Genau. Und ich glaube, das ist ganz wichtig, dass man das mal macht, um das so zu erleben, auch mal kostenlos was zu machen. Aber da darf man nicht zu tief reinrutschen, finde ich. Und gerade in der Kreativbranche beobachte ich das sehr gerne, dass einfach auch die Gesellschaft dafür nicht so gerne Geld ausgibt. Tatsächlich, weil der Wert nicht von jedem gesehen wird. Genau. Und plädiere ich dann an die kreativen Leute, dass die sich dann eher an die Menschen halten, die den Wert schon sehen und genau einen dahingehend dann auch pushen.
Julia: Und dass sie dann auch selbstständig bleibt, dass man eben den angemessenen Preis bekommt, damit man selber erfüllt, lebendig und genährt ist. Wenn man immer nur mehr gibt und zu wenig bekommt, wie du sagst, verliert man die Lust eigentlich. Eher schlägt es wieder um.
Lissy; Die Kraft und die Energie und die Lust. Und das ist halt so viel, was da in so eine Selbstständigkeit rein fließt und hinter den Kulissen passiert, was man so nebenbei noch alles macht. Das nimmt ja weitaus mehr als 50 % des Arbeitsalltags ein. Und das ist einfach auch alles streng genommen Arbeitszeit. Und die wird ja so in der Form auch nicht vergütet.
Julia; Ich mag es total mit dir zu reden. Ich würde sagen, wenn es für dich okay ist, schließen wir mal den Bogen. Also für mich war es total schön, dir zuzuhören und ich fand auch schön, wie wir offen wirklich über Gefühle und auch Geld und auch so vielleicht Hindernisse oder Ängste gesprochen haben. Und ich will dir einfach Danke sagen für das Gespräch und auch danke für deine Bereitschaft, hier dabei zu sein in so einem frühen Stadium des Podcasts, Also vielen Dank, dass du da warst!
Lissy: Ja, danke, Julia. Es hat mir viel Spaß gemacht und ich hoffe, dass alle, die das bis hierher gehört haben, sich ein paar schöne Erkenntnisse mitnehmen konnten.
Julia: Also ich werde dann auch übrigens für alle, die bis hierher gehört haben, natürlich in der Beschreibung bisschen was zu Dir schreiben, Dich verlinken, damit alle Leute dich auch besser kennenlernen können. Und ich freue mich natürlich, wenn ihr mir immer Feedback schreibt zum Podcast.
Ich bin ja auch noch am Lernen und freue mich wirklich von euch zu hören: Was hat euch gut gefallen, was hat euch interessiert? Gibt es vielleicht auch noch Fragen, die ihr gerne gestellt hätte? Und dann könnt ihr mir gerne eine Mail schreiben an Julia@aufeigenenbeinen.com oder einfach kommentieren. Ansonsten dürft ihr gerne dem Podcast folgen und das nächste Mal wieder zuhören. Vielen Dank fürs Zuhören!
Julia: Herzlich willkommen zum Podcast „Auf eigenen Beinen“. Ich bin Julia Krivachy und ich interviewe Leute, die im Kultur- und Kreativbereich was eigenes auf die Beine gestellt haben. Hallo Lissy, herzlich willkommen! Ich freue mich total, dass du da bist. Das ist die dritte Folge vom Podcast „Auf eigenen Beinen“. Und in diesem Podcast geht es ja darum, kreative Leute zu interviewen, die was eigenes auf die Beine gestellt haben und herauszufinden, wie sie den Spagat zwischen Kreativität und Flow, Muse, Inspiration und Geld verdienen. Ordnung, Struktur, Wachstum, Beziehungen eingehen.
Lissy: Hi, erstmal. Spannender Spagat.
Julia: Ja, das Lustige ist, wir kennen uns ja eigentlich auch aus der Arbeit. Du hast mich fotografiert vor einem Jahr, als ich wusste, ich mache mich selbstständig und ich hab‘ dich neulich auf dem Female Future Festival wiedergetroffen. Ja, und hab dich dann eigentlich direkt gefragt, ob du der dritte Gast sein möchtest, weil ich es einfach einerseits so spannend finde, wie du dein Fotografie-Business aufgebaut hast, wie das gewachsen ist. Also das möchte ich gern von dir wissen.
Und dann geht es zugleich in meinem Podcast ja auch darum, wie geht man so mit Gefühlen wie Angst, Unsicherheiten oder Widerständen um?
Ich habe ein paar Freundinnen, die sind Beamtinnen und ich komme aus einem Beamtenhaushalt. Ich habe bei dir erfahren, du warst früher auch Lehrerin und in einem ganz sicheren Umfeld. Ich fand es einfach spannend – und das darf aber nur ein Detail dieses Podcasts sein: Wie du das geschafft, aus so einer sicherheitsorientierten Welt in diesen freien Teich zu springen und zu sagen: Hey, ich fotografiere Frauen.
Magst du vielleicht dich erst mal so eingangs vorstellen und auch sagen, was du machst?
Lissy: Ja, ich bin Fotografin mit der Marke Soul Photo, also Seelen Foto, und habe mich auf selbstständige Frauen spezialisiert, die entweder gerade in der Gründung sind oder auch immer mehr Frauen, die schon länger mehrere Jahre selbstständig sind.
Julia: Ich will noch kurz eingangs was sagen, weil man ein paar Hintergrundgeräusche hört. Wir sitzen hier in Pasing im Park, um uns herum spielen Kinder, ein paar Enten laufen am Teich und ab und zu fährt ein Auto vorbei. Also lasst euch nicht ablenken von den Geräuschen. Wir sind quasi in der freien Natur.
Lissy: Genau so wie bei vielen meiner Shootings übrigens auch.
Julia: Als du mich fotografiert hast, hast du auch extra Wert drauf gelegt, wo wir fotografieren und was auch zu dem passt, wie ich arbeiten möchte. Das hat mir damals richtig geholfen. Ich kann jetzt 800 Fragen stellen, aber vielleicht als erste: Wie bist du überhaupt auf die Idee gekommen, so zu fotografieren und dich damit selbstständig zu machen?
Lissy: Ja, die Idee ist nicht in meinem Kopf entstanden, sondern in meinem Herzen. Ich fotografiere schon, seit ich ein kleines Kind bin und habe im Alter von acht Jahren schon den Traum gehabt, mal Fotografin zu sein. Allerdings entstamme ich ursprünglich aus einer durch und durch verbeamteten Lehrerfamilie, die mit Selbstständigkeit weniger als nichts am Hut hat und wo die Prognose war, dass ich innerhalb weniger Monate unter der Brücke landen werde, wenn ich mich selbstständig mache. Das wurde mir auch wortwörtlich so mitgeteilt und dahingehend habe ich einfach zu keiner Zeit in meinem Leben bis vor drei Jahren überhaupt in Erwägung gezogen, dass es möglich ist, selbstständig zu sein oder dann noch zusätzlich auch noch im künstlerischen Bereich. Das ist ja noch mal eine Nummer krasser, wenn man jetzt in Klischees denkt.
Julia: Ich will mal kurz einhaken: Ich find’s lustig. Ich habe es Dir im Vorgespräch auch gesagt: Meine Mama ist Beamtin. Ich glaube, fünf Generationen vorher waren alle Beamte. Mein Vater war sein Leben lang bei dem Konzern und die verstehen alle überhaupt nicht, was ich als Selbständige macht und haben auch regelmäßig Sorgen, ob ich genug Geld verdiene, ob ich auch in die Rentenversicherung einzahlen und ob man damit Geld verdienen kann. Und ich beruhigt sie dann immer, weil ich bin ja auch sehr strukturiert und organisiert. Und kann ihnen dann schon Wind aus den Segeln nehmen. Aber gerade weil ich das von dir gehört habe, find ich das immer so spannend. Zu sagen, du kommst aus einer verbeamteten Familie, dann machst du auch noch was Künstlerisches. Wie schaffst du es dann aber, dass du diese Kreativität und die Inspiration, die du in deinen Fotos ja hast und zum Ausdruck bringst, in Einklang zu bringen mit deinem Mindset, mit dem du dann ja offenbar aufgewachsen bist und das dich ja durch und durch geprägt hat.
Lissy: Ja, das ist eine spannende Frage. Ich denke, Selbstständigkeit ist immer Persönlichkeitsentwicklung und ich musste einfach an einem Punkt anfangen, der sehr tief unten war oder sehr basic war. Im Unterschied zu beispielsweise auch Freunden oder Kunden von mir, die aus Familien kommen, wo die Eltern beispielsweise freischaffende Künstler sind oder einfach selbstständig in anderen Metiers unterwegs sind. Die nehmen natürlich da schon in der Kindheit und auch im Erwachsenenalter ganz andere Learnings mit aus ihrer Familie. Das hatte ich so nicht. Aber ich finde, man kann auch sehr gut am Negativbeispiel lernen. Wenn ich das jetzt durch die Blume sagen darf.
Julia: Magst du das noch bildlich darstellen? Negativbeispiel – also wenn du sagst, du kommst unten an, ging es dir nicht gut?
Lissy: Ich meine, was Selbstständigkeit angeht, habe ich halt nichts mitgenommen aus meiner Kindheit. Also ich weiß halt, wie dieser klassische Lehrerberuf abläuft. Also meine beiden Eltern waren bis zur Rente eben Lehrer und das habe ich halt mitbekommen, so dieses Schulsystem und so, das war halt zu Hause auch immer Thema. Aber wie man jetzt so einen Alltag strukturiert als Selbstständiger oder dass es da auch Menschen gibt, die nicht die ganze Zeit arbeiten und überarbeitet sind, dass es sogar auch Menschen gibt, die damit gut Geld verdienen. Das wusste ich alles gar nicht. Und das meinte ich mit dort, wo ich begonnen habe. Ich hatte wirklich keine Ahnung. Ich habe mich komplett selbst ins Eiswasser geschmissen. Ich persönlich finde es immer sehr inspirierend und spannend, Menschen kennenzulernen, die einen Weg gegangen sind, der mehrere Hürden und Hindernisse beinhaltet hat, weil diese Menschen oft einfach eine tiefe Weisheit in sich tragen. Und ich zähle mich selbst auch zu den Menschen, die schon viel erlebt haben auf vielen verschiedenen Ebenen. Und daher habe ich einfach auch viel Erfahrung und eine innere Weisheit, würde ich sagen, die es mir auch erlaubt oder die es mir möglich macht, Menschen auch auf einer tieferen Ebene zu verstehen und zu fühlen.
Julia: Also ich weiß nicht, ob das jetzt gesagt hast du, wenn du sagst also wenn ich frage, wie kamst du auf die Idee? Dann habe ich gehört, was du als 8-jähriges Mädchen wolltest du Fotografin werden, hast dich aber gar nicht getraut, daran zu denken. Und du warst ja dann auch erst mal selber Lehrerin, oder?
Lissy: Genau. Also ich habe deine Frage vergessen. Jetzt fällt’s mir wieder ein. Um den Bogen zu spannen: Ich war dann selbst Lehrerin. Also ich habe an der Kunstakademie Kunst studiert und an der normalen Universität Pädagogik und nach dem Referendariat war ich dann sogar auch verbeamtet und ich habe insgesamt in meiner kompletten Studien- und Arbeitslaufbahn an sechs verschiedenen Schulen gearbeitet. Und das habe ich dann hinter mir gelassen vor wenigen Jahren.
Julia: Und was mich jetzt total brennend interessiert, weil als ich mich letztes Jahr selbstständig gemacht habe, habe ich am Anfang schon gemerkt: Boah, ich habe ein krassere Sicherheitsbedürfnis als ich dachte, weil ich finde, so als Selbständige steht man ja auf einmal alleine da.
Alles ist offen, aber alles ist vielleicht auch erst mal leer. Du weißt nicht so genau, was kommt, Du darfst es selber füllen. Aber am Anfang ist da ja noch nicht so viel. Wie bist du dann mit dieser Unsicherheit umgegangen? Und vor allem, was hat dich dann bewogen, wenn du schon in einem System warst, das dann doch hinter dir zu lassen und so in diese Leere oder in das Neue zu gehen?
Lissy: Auch hier wieder das Negativbeispiel: Ich war keine geschaffene Lehrerin. Obwohl ich sehr high performing unterwegs war, ging es mir einfach nicht gut damit und ich war permanent überfordert, weil ich sehr, sehr sensibel bin und sehr stark spüre, wie es anderen Menschen geht. Das habe ich vorhin, glaube ich, auch schon mal kurz erwähnt und dadurch war ich permanent überfordert in den Klassenräumen und bin einfach nicht für diese Arbeit gemacht gewesen. Und weil es mir wirklich so schlecht ging, habe ich gemerkt, dass das keine Zukunft hat. Und das war mir dann auch egal, dass ich da zehn Jahre rein investiert habe in dieses Studium und in diese Ausbildung, also in das Referendariat, weil die zehn Jahre waren schon zehn Jahre zu viel. Und dann war es für mich offensichtlich, dass ich nicht noch weitere Jahrzehnte da dranhängen, egal wie viel Geld oder wie viel Sicherheit ich dafür bekomme.
Julia: Und dann hast du es einfach an Nagel gehängt und gesagt: jetzt fotografiere ich.
Lissy: So ähnlich, Ja.
Julia: Hattest du das schon angefangen? Also hattest du da schon Erfahrungswerte?
Lissy: Also ich habe in Corona gemerkt, als ich nicht mehr in die Schule gehen musste, weil die zugeschlossen wurde, dass ich da auch gar nicht mehr hingehen möchte. Und mein komplettes Nervensystem hat sich entspannt. Ich habe den Onlineunterricht maßlos genossen, weil ich alle meine Schüler auf stumm stellen konnte. Was nicht heißt, dass ich jemand bin, der zum Monologisieren neigt. Ich mag es wirklich sehr gerne, wenn Kinder und Jugendliche ihr eigenes Ding machen können und eben ihren eigenen Ausdruck auch finden in dem, was sie tun. Ich war auch Kunstlehrerin, also das war schon auf jeden Fall das richtige Fach. Aber ich habe einfach in Corona gemerkt, dass ich in dieses Schulgebäude nicht mehr reinlaufen möchte und dass ich chronisch überfordert bin. Und wenn ich das noch länger macht, dann werde ich einfach körperlich und seelisch krank werden. Und genau dann war für mich klar, dass es so nicht weitergeht. Da hatte ich immer meine Verbeamtung schon gekündigt und war nur noch angestellte Lehrerin, weil Verbeamtung ist auch noch mal eine andere Nummer. Da kannst du ja nicht mal entscheiden, an welcher Schule du arbeitest. Ich war glaube ich die kürzeste Beamtin aller Zeiten. Ich war nicht mal einen Monat habe ich das ausgehalten.
Also ich habe weiterhin sehr stark in Sicherheit gedacht, weil ich immer noch diesen Glaubenssatz hatte, dass ich von der Fotografie nicht leben kann. Und dann habe ich eine Ausstellung gemacht mit 13 anderen Münchner Fotografinnen, und meine Arbeit kam supergut an und habe aber dann irgendwann gemerkt im Verlauf dieser Ausstellung, dass alle anderen 13 Fotografinnen zu 90 % hauptberuflich und ein oder zwei waren, glaube ich nebenberuflich als Fotografin selbstständig, davon nahezu ausschließlich leben. Und ja, dass das eben schon möglich ist und dass ich auch mich in dieser Welt der Fotografie und zwischen diesen anderen Frauen sehr wohl fühle und viel mehr zu Hause fühle als im Lehrerzimmer. Also ich war vormittags quasi in der Schule und nachmittags in der Ausstellung oder beim Aufbau der Ausstellung. Und bei der Vernissage kamen dann auch diese beiden Welten zusammen. Die sind dann aufeinander gestoßen und wo man dann die ganzen Lehrer da und der Direktor und die ganzen Fotografinnen und das waren diese zwei Welten. Und ich habe so gemerkt, dass ich einfach in die eine Welt überhaupt nicht rein gehöre. So nett die Menschen waren, es war einfach nicht meine, mein Zuhause.
Julia: Und ich hör jetzt so, dass das wie so der Proof of Concept für dich war, dass du gesehen hast, die anderen zwölf Fotografen leben davon. Und war das dann auch dieses Gefühl, dass du dich dort zu Hause gefühlt hast? Und es war dann einfach ein Gefühl, das du gesagt hast, du hörst das andere auf. Oder war das dann die Sicherheit zu wissen, Du kannst es auch, weil die anderen es auch können? Das war der letzte Anstoß. Das Gefühl, du lässt das jetzt.
Lissy: Also es gab halt viele kleine Anstöße. Ich glaube schon. Als ich meine Verbeamtung gekündigt habe, war ich mir darüber bewusst, dass es noch eventuell andere Lebenswege für mich gibt. Dass es dann so schnell passiert, hätte ich nicht gedacht. Aber es sind so viele Kleinigkeiten zusammengekommen. Ich glaube, diese Ausstellung hat mir einen Riesen-Push gegeben, weil ich einfach sehr viel positives Feedback da bekommen habe. Und allein schon die Möglichkeit zu haben teilzunehmen war für mich wirklich was Besonderes. Aber insgesamt gesprochen gab es jetzt nicht den einen Auslöser.
Julia: Aber es ist wie so ein Anker dieser Ausstellung. Da hast du dann gemerkt, so, wow, das geht.
Lissy: Das war ein Wendepunk, ja, das war ein Wendepunkt in meinem Leben. Die Kündigung der Verbeamtung auch. Und dann gab es noch einen dritten Wendepunkt, den ich noch erzählen kann. Und zwar habe ich dann ein Gründungscoaching beantragt und habe ein Konzept ausgearbeitet. Ich bin ja ausgebildete Pädagogin und hab mich so mindestens zehn Jahre meines Lebens super intensiv mit Autismus beschäftigt. Ich habe dann auch eine Ausbildung zur Autismus Fachberatung gemacht. Ich hatte da eine sehr coole Geschäftsidee, wie ich mit autistischen Kindern künstlerisch arbeiten kann, aber auch ihnen ja bestimmte andere Dinge vermitteln kann und gleichzeitig aber auch mit den Eltern arbeiten kann, weil, also es steht und fällt ja dann am Ende mit der Familie, wie so ein Kind sich entwickelt. Und im Bereich des Autismus gibt es da einfach wenig Wissen und wenig Aufklärungen, weil ich da wirklich auf allen Ebenen so viel Erfahrung schon habe. Mit dem Thema wollte ich das eigentlich ursprünglich machen und es wurde mir auch immer von allen Seiten gesagt, dass das halt eine Zukunft hat, weil das ist eine absolute Marktlücke und es ist ein geiles Konzept. Es gibt auch schon alles für dieses Konzept. Also es gibt nicht nur das Konzept, es gab auch schon den Raum, wo das stattfinden würde. Die ganzen Materialien und viele, viele andere Dinge hatte ich schon alles vorbereitet und die Grundidee war, dass ich mit der Fotografie so mein zweites Standbein quasi also das bleibt quasi so meine Leidenschaft. Ja. Und das ist dann nicht passiert.
Julia: Ja, und jetzt? Und eigentlich hast du dann so ein Konzept entwickelt, wo es eine Marktlücke gibt, wo du Wissen aus deinem Pädagogikstudium und deiner Erfahrung mit Autimsus und dann bist aber trotzdem Vollzeitfotografin geworden, weil du es gefühlt hast, weil das dein Herzensding ist.
Lissy: Ja, genau, das ist eigentlich auch dann automatisch passiert. Ich habe dann diesen Gründungszuschuss beantragt. In dem Konzept stand, dass ich an 70 % des Geldes, das ich bekomme, gebe ich für dieses Autismus Business aus und auch dementsprechend ist auch mein Einkommen verteilt. Also dass die Fotografie einen kleineren Teil einnimmt und ich habe ja nahezu nichts in dem Bereich gemacht. Und das kam dann tatsächlich von außen. Also die anderen Wendepunkte, die ich erzählt habe, das waren immer so innere Entscheidungen und die Anfragen in Bezug auf Fotografie, die kamen dann von außen. Da habe ich noch nicht mal eine Webseite und habe halt auf Instagram immer mal wieder Fotos gepostet und das kam sehr gut an und gewissermaßen fülle ich da auch eine Marktlücke mit meiner Fotografie. Und dadurch habe ich dann schon im ersten Jahr war ich tatsächlich dann sehr schnell ausgebucht und habe dann sogar in der Hauptsaison einen Monat Pause eingelegt. Irgendwie war das, glaube ich, weil ich so viele Aufträge hatte, dass ich echt gedacht habe das gibt es ja wohl nicht. Ja.
Julia: Also was ich jetzt noch mal total spannend finde. Also du weißt, ich coache auch Gründerinnen und da gibt es ja immer so einen Plan, was man macht. Wir haben vorher auch kurz drüber geredet und ich habe jetzt gehört, Du hattest auch so einen gewissen Businessplan. Und dann kam aber von außen der Impuls voll auf Fotografie zu gehen und dass du eigentlich, ohne jetzt extrem präsent am Markt zu sein, direkt ausgebucht warst. Einfach weil du auf Instagram Fotos gepostet hast und offenbar in so eine Marktlücke rein bist, die dir vorher gar nicht so bewusst war, oder? Also es hörte sich so an und auch, dass du mit deinem Autismus Konzept sehr durchdacht gewesen bist.
Lissy: Ja.
Julia: Aber offenbar haben die Frauen nicht mehr gebraucht.
Und vielleicht noch mal kurz für die die, die dich jetzt nicht kennen. Was ist denn genau deine Marktlücke? Also was unterscheidet dann deine Art zu fotografieren von anderen?
Lissy: Ich habe meine Marke Soul Photo genannt, also Seelen Fotos und mir geht es um den Prozess, der in einem Shooting passiert. Also die Fotos sind Dokumente von dem Erlebnis, von dem Prozess, von den Gefühlen, die man in einem Shooting durchläuft. Und daher ist mein kompletter Arbeitsansatz einfach anders, weil der nicht produktorientiert ist, sondern prozessorientiert. Und da arbeiten ich sehr stark mit meiner Feinfühligkeit und mit meiner Fähigkeit, auf Menschen einzugehen und auch in ihnen etwas zu sehen, was sie oft selbst noch nicht sehen und wie so ein es menschlich ja oft von dieser, von dieser zukünftigen Version, von sich selbst und die ist ja immer da, aber nicht immer sichtbar und fühlbar für einen selbst. Und im Außen kann die viel einfacher beobachtet werden durch Menschen. Und in so einer engen 1:1 Zusammenarbeit vor einem Shooting in der Planung schon fühle ich einfach gerade, wo die Person steht und auch was ihre Fähigkeiten sind und kann dadurch zum einen den Konzept sehr klar ausrichten auf die zukünftige Version von der Person und zum anderen dann im Shooting auch die Person herausfordern und anleiten, dass sie über diese Schwelle geht und sich auch Dinge traut und sich auch traut sich zu zeigen, als diese in dieser Essenz.
Julia: Ich finde, das hört sich so schön an, wenn ich nicht schon einen Shooting gebucht hätte, würde ich das direkt noch mal machen. Und übrigens auch noch mal so als Feedback: mir hat das damals total geholfen. So dieses Fühlen. Ich werde zum Beispiel überhaupt nicht gerne fotografiert und hab das Gefühl, ich muss mich verstellen. Und ich finde, Du hast das immer gemerkt, wenn ich nicht locker war und dann kam ich auch wieder ins Fühlen und das finde ich, sieht man auch auf den Fotos tatsächlich.
Aber jetzt noch mal zurück: Wie war das eigentlich für dich, dass du dann da direkt ausgebucht warst? Weil du hast ja eigentlich schon, wie du gesagt hast, zehn Jahre studiert und warst Pädagogin und hattest Erfahrung mit Autismus? Hast du das dann vermisst oder warst du total happy, einfach zu fotografieren, weil das dein Kindheitstraum war?
Lissy: Also ich fahre regelmäßig mit erhobenem Mittelfinger an Schulen vorbei. Ich glaub, mehr muss ich dazu nicht sagen. Es ist wirklich auch immer noch so, also nichts gegen nichts gegen Lehrer, wirklich und nichts gegen das System Schule. Aber ich bin einfach so froh, dass ich da draußen bin. Ich bin so frustriert von diesem System und sehe da so wenig Weiterentwicklung. Und meine Werte sind unter anderem Freiheit, Weiterentwicklung und Lebendigkeit. Und all diese drei Werte haben im Schulsystem leider nichts zu suchen oder werden da leider überhaupt nicht verwirklicht. Und daher geht es mir grandios gut, seit ich nicht mehr in die Schule gehen muss.
Julia: Mich macht es auch gerade ein bisschen traurig, was du sagst, weil du weißt, ich habe eine Tochter, die auch zur Schule geht. Und mein Wunsch wäre eigentlich, das Schulsystem zu verändern. Also auch wenn das jetzt nicht mit deinem Business zu tun hat, was glaubst du, alles müsste passieren, dass sich das Schulsystem verändert, weil die Kinder brauchen ja eigentlich auch Lebendigkeit und Weiterentwicklung. Also was glaubst du, müsste da passieren?
Lissy: Also mich macht es auch traurig, weil in unseren Kindern ja unsere Zukunft lebt und weil ich ja auch selbst gesehen habe, was so ein System mit Kindern macht und vor allem auch mit Lehrern oder auch mit Lehrern. Das ist so viel, was da geändert werden müsste, dass ich jetzt keine konkrete Antwort geben kann.
Ich denke, es ist halt ein Scheuklappensystem und es ist sehr reaktionär, also sehr rückwärtsgewandt. Und was ich am meisten schade finde, ist, dass inspirierte und fähige junge Lehrkräfte nicht gesehen werden in ihren Fähigkeiten, weil die könnten ja eine Änderung herbeiführen, aber weil das Konzept zu starr ist und eben ja so reaktionär, gehen dann diese Menschen zu Grunde, weil sie versuchen ihre Gabe oder ihre Berufung auszuleben innerhalb des Systems und leider häufig daran zerbrechen. Ja und ich denke halt, Bildung ist so was wie Gesundheit oder so wie Gesundheit ist Bildung auch etwas sehr wichtiges in einem System oder in einer Gesellschaft. Ja, das hat einen sehr hohen Stellenwert. Das entscheidet maßgeblich über die Zukunft von uns allen. Und das Bildungssystem in Deutschland ist einfach leider sehr schlecht.
Julia: Na ja, also zumindest vielleicht in all dem, was den Bogen zurück zur Selbstständigkeit schlägt: Alles, was vielleicht eine Selbstständigkeit ermutigt, nämlich ausprobieren, lernen, einfach mal machen – ist ja vielleicht nicht so der Kern des Schulsystems.
Lissy: Und im Schulsystem hat Selbstständigkeit ja auch keinen Platz. Also man macht dann ja schon so berufliche Orientierung und auch so Tests. Und alles, was dabei vermittelt wird oder in den Tests dann auch als Ergebnis herauskommt, sind ausschließlich Angestelltenberufe. Also die Schulwelt tut so, als würde die Selbstständigkeit nicht existieren und das finde ich auch sehr, sehr schade.
Julia: Ist auch spannend. Das sagt ja auch immer Madame Moneypenny, dass wir eigentlich auch zu guten Angestellten erzogen werden oder gebildet werden. Aber dass Selbstständigkeit ja gerade für Frauen extrem viel Spielraum bedeutet, auch Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Selbstverwirklichung, finanzielle Unabhängigkeit.
Ja, und um jetzt mal wieder den Bogen zu deiner Selbstständigkeit zu schlagen:
Ich habe jetzt gehört, das ist im ersten Jahr quasi wie von selber lief, dass Fotos auf Instagram gepostet, Du hast ausgebucht und muss dann quasi direkt selber die Bremse reingehauen und hast zur Hochsaison Pause gemacht, weil du schon so ausgebucht warst. Wie ging es denn dann für dich weiter und wie bist du auch damit umgegangen, dass du schon direkt so viel Erfolg hat? Wie hat sich das für dich angefühlt?
Lissy: ersten Jahr sehr gut. Und sehr erfüllend. Und im zweiten Jahr war dann eher eine Stagnation zu verzeichnen. Finanziell. Da habe ich dann aber schon höhere Preise genommen, weil ich einfach die Wertigkeit hinter meiner Arbeit sehr viel mehr gefühlt habe. Und das war dann tatsächlich eine große Herausforderung, weil ich durch meine höheren Preise natürlich dann auch mehr Zeit hatte. Also ich habe dann quasi im zweiten Jahr ungefähr dasselbe verdient wie im ersten Jahr, aber ich war quasi „unterbucht“.
Das, was im ersten Jahr so krass passiert ist, war im zweiten Jahr dann eher rückläufig oder gegenteilig. Ich hatte einmal sogar auch zwei Monate in Folge, da habe ich in dem einen Monat das 50 -ache von dem Einkommen wie im Monat zuvor gehabt. Also völlig krass. Und dann habe ich so gemerkt auch, wie unsicher Selbstständigkeit ist, dass es eben auch sein kann, dass man mal fast gar nichts in einem Monat verdient und dann in einem Monat, wo man denkt, das wäre jetzt wieder so der Monat, wo nichts passiert. Ja, plötzlich geht es voll ab. Oder auch dieses Jahr war im Januar mein höchster Monatsumsatz und das hätte ich halt nie gedacht.
Ich bezeichne mich oft als Empowerment Fotografin. Ich habe ja vorhin schon so ein bisschen drüber erzählt über diesen Prozess, und ganz viele meiner Shootings finden in der Natur statt, weil viele meiner Kunden sind einfach naturverbundene Menschen, feinfühlige Menschen, viele Coaches und auch viele spirituelle Menschen. Die wollen draußen fotografieren und die fotografieren lieber draußen, wenn die Sonne scheint oder wenn es zumindest warm ist.
Nichtsdestotrotz lief der Januar ganz gut und im zweiten Jahr, da hatte ich dann auch so ein Tief, wo ich gemerkt habe, so kann und möchte ich nicht weitermachen, weil ich diese Stagnation gefühlt habe, nicht nur finanziell. Das fand ich ehrlich gesagt gar nicht so schlimm, sondern eher energetisch: So eine Stagnation war da. Ich war nicht mehr inspiriert von mir selbst und von meiner Arbeit und bin so ein bisschen aus dem Flow rausgekommen.
Julia: Also das fand ich spannend und erst mal schön, dass Du das so offen teilst, weil ich glaube, viele Selbständige kennen das. Was hast du denn gemacht, um dann in den Flow wieder reinzukommen?
Lissy: Ein Coaching gebucht – das wird dich jetzt sicherlich freuen, oder? Weil Du Coach bist.
Julia: Ja, aber ich bin auch wirklich neugierig. Also jeder hat unterschiedliche Antworten, weißt du, der eine sagt: Nee, ich putze oder ich mach Lego. Also es gibt so viele Antworten und alles stimmt.
Lissy: Nein, also ich finde, es ist so mit Coaching: Das ist ja auch teilweise etwas verrufen, weil die Begrifflichkeit nicht geschützt ist und weil es auch schwarze Schafe auf dem Markt gibt. Ähm, und ich persönlich finde das grandios, dass es Coaches gibt und deswegen habe ich das jetzt auch so bewusst rausgeknallt, weil ich auch sehr eine sehr hohe Bereitschaft habe, da viel Geld reinzuinvestieren. Ich habe mir konkret einen ADHS-Coach gesucht, weil ich ADHS habe, also eine Frau, die sich auf selbstständige Menschen mit ADHS muss spezialisiert hat. Und da hab ich mich zu Jahresanfang dafür entschieden, mich da einfach begleiten und unterstützen zu lassen.
Du hast glaube ich zu anfangs von dem Spagat gesprochen, oder?
Julia: Ja.
Lissy: Falls es noch nicht gesagt wurde: Es ging ja auch in unserem Vorgespräch um den Spagat zwischen Flow, Intuition, Inspiration, Kreativität auf der einen Seite und Struktur, Bürokratie, Finanzen auf der anderen Seite. Jetzt bin ich Künstler, ich bin ADHSler, ich bin hochsensibel. Also ich bin halt einfach nicht auf der strategischen und strukturellen und finanziellen Seite enfach nicht sehr stark. Und genau dafür habe ich mir ein Coaching gesucht. Und das tut so gut, jemanden zu haben, der einen in den Punkten unterstützt. Und ich muss sagen, das hat in den letzten Monaten bei mir unsagbar viel verändert.
Julia: Übrigens, also du weißt, ich bin eher so „Sharing ist Caring“. Du darfst auch gerne den Namen dieser oder dieses Coachin sagen – du hast mir ja auch davon erzählt, dass wie viel Prozent der Selbständigen nach Statistik ADHS haben?
Lissy: Also angeblich 62 %, total krass. Das ist eine Ziffer, die natürlich, ja schwer zu ermitteln ist. Auch weil die Dunkelziffer bei ADHS sehr hoch ist und natürlich auch, weil das ein Spektrum ist, oder? Ja, also ich sage immer Spektrum dazu, weil jeder hat Anteile und die Frage ist einfach, sind die so stark, dass es dass man das so nennen kann und auch dann, mein Gott, das ist halt wieder diese Schublade, in die man gesteckt wird oder sich selbst steckt. Aber tatsächlich finde ich es sehr spannend. Ich glaube, in der Bevölkerung vermutet man 10 % ADHSler und bei den Selbständigen sind es 62 %. Es gibt auch viele bekannte und berühmte Persönlichkeiten, die Autismus oder ADHS oder beides haben. Und genau bei den Unternehmern ist diese Quote sehr hoch und besonders in der kreativen Dienstleistungsbranche ist die auch noch mal höher, weil Menschen mit ADHS einfach unsagbar leidenschaftlich und kreativ unterwegs sind. Und da sie so gerne ihr eigenes Ding machen und nicht so Hierarchie-konform gehen, sind sie einfach auch gerne selbstständig.
Julia: Ja und zu diesem Spagat was nimmst du da gerade für dich mit? Also wie gehst du denn dann zum Beispiel mit deiner, sag ich mal überbordenden Kreativität, vielleicht auch Emotionalität um? Das habe ich auch bei Kreativen beobachtet und du hast es mir vorher schon gesagt, aber dann mit so was wie Struktur. Du musst dann eine Umsatzsteuervoranmeldung machen oder deine Steuer – wie bist du da gerade? Also was hilft dir da gerade?
Lissy: Also ich habe schon immer eine Steuerberatung. Ich würde auch nie im Leben das selbst machen, weil mir das so viel Energie zieht, dass ich dann arbeitsunfähig werde. Für mich ist es schon schlimm genug, dass ich der einmal im Quartal meine Belege zukommen lassen muss. Das führt zu regelmäßigen Dramen. Ich hatte im ersten Jahr zum Beispiel eine virtuelle Assistenz, in die ich auch sehr viel Geld investiert habe. Die hat mir gewisse Strukturen abgenommen. Und ich bin ein absoluter Teamplayer. Ich kann im Team viel besser und die Selbstständigkeit ist ja teilweise auch so ein bisschen Einzelkämpfer. Besonders am Anfang, weil man einfach Solopreneur ist. Also der Name sagt es ja schon. Und das hat mir sehr geholfen, mir da einfach Unterstützung zu holen. Also ich gebe sehr, sehr gerne mein Geld aus für Weiterentwicklung oder für Maßnahmen in meiner Selbstständigkeit, die mich unterstützen, damit ich mich weiterentwickeln kann. Und da finde ich Hilfe sinnvoll und wichtig.
Julia: Hört sich erst mal schön und vernünftig an zum Steuerberater. Ich hab auch einen – ich bin ja strukturiert, aber hilft auch es abzugeben. Ich habe nicht diesen Mindfuck, vor allem wenn was vom Finanzamt zurückkommt und die Fragen haben – da finde ich toll, wenn ein Experte denen antworten kann.
Lissy: Absolut.
Julia: Also ich schaue so ein bisschen auf die Uhr – ich bin auch am Ausprobieren: Wie lange dauern die Interviews? Ich glaube so eine halbe, dreiviertel Stunde ist ganz gut. Wenn du jetzt so zurückblickst, gibt es irgendwas, was du am Anfang deiner Selbstständigkeit gerne schon gewusst hätte? Das, was du jetzt total verinnerlicht hast oder was dir jetzt ganz wichtig ist in deiner Arbeit.
Lissy: Ich überlege.
Julia: Nimm dir Zeit.
Lissy: Ja. Du hast vorhin von den Emotionen gesprochen. Und dass kreative Menschen so überwältigt von Emotionen sein können. Und diese starken Schwankungen in der Auftragslage und entsprechend auch finanziell. Die sind anstrengend. Und da hätte ich gerne zu Beginn der Selbstständigkeit einfach gewusst. Oder besonders dann im zweiten Jahr, dass das völlig normal ist und dass es einfach mal nichts zu bedeuten hat, weil es auch wieder bergauf geht.
Julia: Wie gehst du denn mit so einer Riesenschwankung um? Hast du da für dich jetzt einfach das Vertrauen, dass du weißt, es geht wieder bergauf? Oder hast du jetzt einen finanziellen Puffer? Oder bist du einfach entspannter, weil du weißt, es geht bergauf und bergab? Wie gehst du jetzt damit um? Versus wie bist du vor einem Jahr vielleicht noch damit umgegangen?
Lissy: Ja, also ich bin mit einem großen finanziellen Puffer in die Selbstständigkeit gestartet und der ist schon deutlich kleiner geworden. Aber es ist immer noch ein bisschen Geld da und das ist für mich total wichtig. Also hätte ich die nicht, dann hätte ich da viel weniger Sicherheit. Ich hasse es, das Gefühl zu haben, ich muss jetzt etwas verkaufen, weil ich will nur mit Menschen zusammenarbeiten, die wirklich zu mir passen und die auch den Wert hinter meiner Leistung sehen und nicht aufgrund eines vermeintlichen Marktes oder einer vermeintlichen Nachfrage, eventuell meine Preise, mein Angebot oder irgendwas anderes anpassen. Und dank dieses finanziellen Puffers habe ich einfach sehr, sehr viele Freiheiten. Wie zum Beispiel, dass ich dieses Coaching da gebucht habe und das übrigens bei der Annika Walter, weil du vorhin gefragt hast, wie die Frau heißt. Die heißt Annika Walter und hat einen ziemlich coolen Instagram Account für alle selbstständigen, die manchmal etwas verpeilt sind. Ja, und das würde ich auch wirklich jedem Selbständigen empfehlen. Also ich persönlich finde es besser, einen Puffer zu haben als eine zweite, quasi noch eine Teilzeitstelle. Das war jetzt für mich besser, weil ich wollte mich wirklich dann auf diese eine Sache fokussieren und es hätte mich zu viel Ablenkung gekostet, parallel dann noch zu arbeiten. Also für mich persönlich war das war es sinnvoller, da eben ja mit einer mit einer Rücklage zu starten.
Julia: Erstmal finde ich das schön, wie du es sagst. Was ich jetzt auch wirklich spannend fand, war wirklich auch dieser offene Umgang mit Emotionen, weil das kann ich auch sagen, auch wenn ich jetzt selber nicht nur kreativ arbeite. Ich war schon auch überrascht, dass manchmal auch wie so eine Angst da war oder so eine Unsicherheit und ich am Anfang nicht so genau wusste, wie man damit umgeht. Und ich bin auch so mit der Zeit gewöhnt man sich dran. Bei mir wird mein Horizont so ein bisschen kürzer. Also ich habe immer noch einen Forecast, aber ich bin ja mehr so im Jetzt. In den nächsten drei Monaten.
Früher immer noch so in ein, zwei, drei Jahren war, was natürlich total stresst, weil du nicht weißt, was in drei Jahren ist. Und vor allem, wenn du jetzt nicht aufgeladen bist oder Energie hast. Ist ja auch schwierig, überhaupt weiterzukommen.
Also eher so, um jetzt zu sagen, was Dir geholfen und was mich auch noch interessiert, dass das dann nämlich auch nur so kurz angeschnitten ist, so dieses Einzelkämpfersein.
Also ich habe noch schnell gemerkt, mir hilft es total, mich mit anderen zusammenzutun, auch eigene Projekte entstehen zu lassen und mit anderen zusammenzuarbeiten, in welcher Form auch immer. Und dass du dir zum Beispiel eine virtuelle Assistenz genommen hast, die dir Sachen abgenommen hat, dass du aber auch bei der Auswahl deiner Kundinnen eigentlich schaust mit wem willst zusammenarbeiten?
Und hat sich da was verändert, seit du gestartet bist? Wo stehst du da jetzt? Also wie schaffst du es, die auch so ein Team Gefühl aufrechtzuerhalten, auch wenn du an sich alleine selbstständig bist?
Lissy: Also ich liebe es gemeinsam mit anderen Menschen Coworking zu machen, also mich tageweise zu treffen. Bei mir zu Hause, bei denen zu Hause in im Café. Ich bin auch sehr viel in Cafés alleine unterwegs. Ich weiß immer, also wenn, wenn ich gefragt werde, welches Café cool ist, dann kann ich immer eher die Anzahl der Steckdosen in einem Café nennen, als was da auf der Speisekarte steht. Und. Dann habe ich natürlich inzwischen eine sehr große Community an Frauen, die ich, also die von Kundinnen zu Bekannten oder Freundinnen wurden, die auch selbstständig sind, mit denen ich mich auch treffe.
Also ich denke, die ersten Jahre der Selbstständigkeit sind immer sehr herausfordernd, was diese Punkte angeht, wie auch dieses gefühlte Einzelkämpfertum. Aber man findet dann seine Strategien und Wege und ich versuche jetzt auch mehr auf Events zu fotografieren, weil das ist auch eine tolle Möglichkeit. Also zum einen mag ich es sehr, auf Events unterwegs zu sein mit Kamera, weil ohne Kamera finde ich es anstrengend und ich kann da auch meine Beobachtungsgabe superschön einsetzen und es ist eine komplett andere Form des Fotografierens, weil ich nicht den Raum halte und mich anleite, sondern etwas, das geschieht beobachtend festhalte. Mit meinem eigenen individuellen Blick. Da treffe ich natürlich dann auch immer wieder Leute,, also da habe ich dann dieses Communitygefühl – das ist einfach auch sehr schön.
Julia: Genau, jetzt haben wir uns ja eigentlich auch jetzt vor zwei Monaten wieder gesehen und ich habe mich total gefreut, dich zu sehen und übrigens nur so kleine Seitenwerbung: Ich fand es total lustig, auf so einem Event zu sein. Das war das Female Future Festival und ich hatte vorher schon so ein bisschen Vorbehalte, wie das ist und fand das aber lustig, weil ich finde, ich habe ganz tolle Frauen kennengelernt und ich fand auch die Formate gut und habe auf jeden Fall Inspiration und Kontakte mitgenommen und fand es schön, dich wiederzusehen.
Lissy: Sehr schön. Ja, ja.
Julia: Und wenn du jetzt noch mal so in Zukunft für dich gibt es das, was du dir jetzt wünschen würdest. Oder etwas, wo du gerade auf dem Weg bist, was vielleicht in dir schlummert und so in den nächsten zwei, drei Jahren rauskommt?
Lissy: Also ich hatte jetzt gestern und vorgestern ein Shooting in Wien und meine Shootings sind super – ich sage mal intime und intensive Räume. Und ich merke immer mehr, dass die Langsamkeit und die auch die Dauer von so einem Shooting ganz, ganz wichtig sind. Ich bin nicht jemand, der gerne eine Stunde lang jemanden fotografiert. Ich will mir Zeit nehmen, ich will die Person kennenlernen.
Ich habe manchmal das Gefühl, dass das auch sehr viele Coaching Aspekte beinhaltet, was ich mache. Und ich möchte ja eigentlich relativ bald nur noch umfangreichere Shootings anbieten, wo ich mindestens einen kompletten Tag mit einer Person verbringe.
Ich kann das mal skizzieren, wie das jetzt zum Beispiel gestern und vorgestern war, weil das war wirklich sehr schön. Also eine Gründerin hat mich gebucht für ein Halbtages-Shooting und wir haben im Vorfeld waren wir schon in einem ziemlich intensiven Prozess.
Wo die Selbstständigkeit hingeht und welche Qualitäten sie auf den Fotos auch verkörpern möchte. Also was ihre Zielgruppe so braucht, was sie auf ihrer Website gerne hätte und wohin sie sich entwickeln möchte. Da haben wir uns ein Shootingkonzept erarbeitet und hatten ein paar Calls, wo wir da wirklich tief eingetaucht sind in ihre Selbstständigkeit.
Und im Shooting selbst waren wir dann gemeinsam in Wien in einem unsagbar schönen Airbnb mit Dachterrasse und einem tollen Lichteinfall im fünften Stock mit Westausrichtung. Und wir hatten einfach so zwei so krass schöne Tage. Am Sonntagnachmittag haben wir uns so ein bisschen auch mal live kennengelernt und eine schöne Zeit zusammen verbracht. In Wien, waren spazieren, waren schön essen und dann haben wir abends so die erste Session gemacht. Dann haben wir uns nachts noch ganz lange unterhalten, haben dann sogar kurz ausprobiert, mitten in der Nacht auf der Dachterrasse mit Champagner und pinken Stöckelschuhen auf dem Tisch.
Dann haben wir aber gemerkt leider, dass der Himmel zu dunkel ist, weil es war Sternenhimmel und es war kein Mond. Da ist dann wirklich trotz Blitz halt einfach der Hintergrund zu dunkel und am nächsten Tag haben wir dann einen sehr, sehr abenteuerlichen Shooting-Tag noch in Wien erlebt und ich merke, dass die Menschen sich komplett anders öffnen, wenn sie sich an diesen neutralen Orten befinden und auch die Inspiration und der Flow viel mehr da ist.
Weil so ein Raum, der so energetisch, so frei ist, ja einem so die Möglichkeit gibt oder auch einfach eine andere Stadt sich wirklich so zu öffnen. Also vielleicht kennst du das oder vielleicht kennen die, die zu hören, das. Das sind die Momente, wo man auch in den Urlaub fährt oder irgendwie ein Flugzeug einsteigt. Da fällt ganz viel von einem ab und da ist man dann viel mehr die Version, die man wirklich ist, weil dieser ganze Alltag, die To Do Liste, all die Dinge, all die materiellen Dinge, die man besitzt, das spielt einfach erst mal keine Rolle mehr. Man ist da mit seinem Koffer und mit sich selbst. Deswegen ist Reisen etwas, was mit sehr viel Freiheit auch verbunden ist. Und da merke ich, dass das meinem Shootingkonzept sehr zugute kommt und daher wird es ab bald auch keine einstündigen Shootings mehr geben, sondern wirklich nur noch diese Halbtags- und Ganztages-Begleitungen, die sich dann in der mehrtägigen Zusammenarbeit äußern.
Julia: Schön, Also eigentlich tiefer gehen. Auch wieder tantrisch langsam fühlen…
Lissy: Schön. Ja.
Julia: Und du schaffst es ja schon auch so eine Verbindung zwischen dir und den Menschen. Du fotografierst, da entsteht ja auch was Neues.
Lissy: Ja, man lernt sich bei einem Shooting auf einer tiefen Ebene kennen. Und das ist sehr berührend, was da passiert. Und ich bin wirklich sehr, sehr dankbar, dass ich das immer wieder miterleben kann, wie die Menschen sich selbst begegnen. Und dadurch, dass ich dabei sein darf, wie sie sich selbst begegnen, entsteht eine tiefe Verbundenheit und ein tiefes Vertrauen. Da sie sich ja auch in eine verletzliche Position begeben. Und das würden Sie nicht machen, wenn Sie mir nicht vertrauen würden. Und gleichzeitig öffne ich mich ja auch sehr und mache mich sehr transparent und zeige mich. Und dadurch ist es oft so, dass ich sagen muss, ich kenne dann oft meine Kundinnen eigentlich besser, als ich zum Beispiel früher meine Freundinnen gekannt habe, weil es einfach ein sehr maskenloses sich zeigen und ja, sich selbst erleben ist in so einem Shooting.
Julia: Ich finde es gerade so schön, wie du das sagst, dieses Maskenlose, weil das auch so ein bisschen mein Ansinnen für den Podcast, so ohne Maske auch mal offen zu sprechen, wie das so ist immer Selbstständigkeit. Und ich finde auch schön, dass du wirklich auch viel geteilt hast, Weil wir haben vorher im Vorgespräch auch ein bisschen drüber geredet, dass manchmal so die Gründerszene ja immer so ein bisschen, manchmal auch maskulin und testosterongesteuert gezeigt wird, so Erfolg und Zahlen und das wäre vielleicht auch noch so meine, vielleicht so noch mal meine Abschlussfrage. Da ist eigentlich schon was zu viel gesagt, aber wie misst du für dich den Erfolg deiner Arbeit also. Klar, Geld und Puffer habe ich gehört, auch die Verbindung. Aber was ist denn für dich Erfolg? Wie lief denn für dich ein Projekt oder eine Zusammenarbeit, wenn Du sagst: Hey, das hat sich richtig gut angefühlt!
Lissy: Ja, also, ich hab herausgefunden, dass Geld nicht meine Motivation ist. Es gibt Menschen, bei denen ist Geld ganz stark die Motivation. Die machen dann Online Gruppen-Programme und skalieren. Das ist völlig fein. Die haben dann einfach ganz andere Umsätze, wie jemand, der eins zu eins arbeitet. Aber da Geld nicht meine Motivation ist, werde ich auch in die Richtung nicht skalieren wollen. Also mir geht es im Leben darum, dieses Gefühl von Freiheit, Lebendigkeit und Begegnung, Beziehung ist auch noch einer von meinen fünf Werten, zu haben. Und für mich ist Selbstständigkeit dann erfüllend, wenn ich in diesem Erleben bin. Also wenn ich sehe und fühle und rieche und mich bewege. Ich bin auch ein sehr hedonistischer Mensch. Ich genieße sehr viel und sehr gerne und ich habe zum Beispiel noch kein Shooting, das nicht total Spaß gemacht hat und immer mit einer Riesen-Leichtigkeit daherkam. Und das macht meine Arbeit glaube ich auch sehr stark aus, weil ich diese Werte halt verkörpere und lebe und da auch eine mitreißende Energie habe und dadurch dann auch meinem Gegenüber erlaube, mal out of the box zu denken und sich auch zu trauen, eine Idee zu äußern oder was zu sagen, was ja gut finde und dann auch mal was verrücktes zu machen und dementsprechend dann eben auch Fotos zu haben, die halt krass aus der Masse herausstechen und nicht so dieses Mainstream-Business-Shooting-Gedöns sind, sondern wirklich Fotos, die eine Energie transportieren und die einfach anders sind.
Julia: Ja und dann bist du auch happy, wenn das Shooting vorbei ist und die Fotos siehst und du da auch diese Verbindung fühlst.
Lissy: Und ja, das ist so meine Erfüllung. Also ich finde Finanzen extrem wichtig und ich merke auch ich, das ist halt wichtig, dass ich nicht nur noch arbeite. Deswegen sind Preise was ganz Wichtiges. Aber Erfolg ist für mich in erster Linie, dieses Erlebnis zu kreieren und dann aber auch selbst zu erleben. Ich bin ja Teil davon.
Julia: Und jetzt, Lissy, Wenn man dich so hört, wird gibt es irgendwas, was du anderen mitgeben würdest. Also wo du sagst: Hey, das habe ich echt krass gelernt und gemerkt. Also so als Abschluss Wort von dir: Was würdest du gerne teilen wollen?
Lissy: Ich würde gerne den kreativen Menschen, die hier gerade zuhören und schon selbstständig sind oder sich überlegen, es zu werden, den Satz mitgeben: Kenne deinen Wert und halte ihn auch.
Julia: Und wenn jetzt jemand zuhört und sich fragt: Was ist denn mein Wert? Wie lerne ich den? Was heißt das?
Lissy: Ich meine damit, dass kreative Dienstleistungen etwas sehr Wichtiges sind und bereichern das, was die Menschheit wirklich braucht und dass viele kreative Dienstleister sich sehr stark in ihren Werten drücken, also in ihren Preisen drücken lassen oder selbst auch klein machen und dadurch dann aber die Inspiration und die Leidenschaft darin verlieren, weil sie einfach nicht gut davon leben können. Und ich glaube, dass Kunst und Leidenschaft leben nur möglich ist, wenn man im Flow ist. Und deswegen beginnen schon ganz viele gar nicht, sich mit ihrer Leidenschaft selbstständig zu machen, weil sie Angst haben, die dann zu verlieren. Und das ist einfach meistens der Grund oder der Grund dessen ist einfach meistens, dass sie ihren eigenen Wert nicht kennen oder sich nicht trauen, ihn in einer Zahl auszudrücken und zu messen. Und das finde ich sehr schade.
Julia: Ja und wie hast du es geschafft, einen Wert in einer Zahl auszudrücken und zu kommunizieren und zu messen für dich?
Lissy; Das ist ein Prozess. Und zum Beispiel, wenn ich einen Preis für ein Shooting nehme, der sich für mich gut anfühlt, dann kann ich halt wirklich 120 % geben und auch in so eine Over Delivery gehen. Und wirklich von dem allerersten Call bis zu den fertigen Fotos komplett für meinen Kunden da sein und dann meine ganze Leidenschaft und Inspiration und künstlerischen Fähigkeiten mit einbinden. Und ich würde auf Dauer die Lust verlieren, wenn ich Preise nehmen würde, wo ich merke, dass der Austausch nicht stimmt. Genau. Und ich glaube, das ist ganz wichtig, dass man das mal macht, um das so zu erleben, auch mal kostenlos was zu machen. Aber da darf man nicht zu tief reinrutschen, finde ich. Und gerade in der Kreativbranche beobachte ich das sehr gerne, dass einfach auch die Gesellschaft dafür nicht so gerne Geld ausgibt. Tatsächlich, weil der Wert nicht von jedem gesehen wird. Genau. Und plädiere ich dann an die kreativen Leute, dass die sich dann eher an die Menschen halten, die den Wert schon sehen und genau einen dahingehend dann auch pushen.
Julia: Und dass sie dann auch selbstständig bleibt, dass man eben den angemessenen Preis bekommt, damit man selber erfüllt, lebendig und genährt ist. Wenn man immer nur mehr gibt und zu wenig bekommt, wie du sagst, verliert man die Lust eigentlich. Eher schlägt es wieder um.
Lissy; Die Kraft und die Energie und die Lust. Und das ist halt so viel, was da in so eine Selbstständigkeit rein fließt und hinter den Kulissen passiert, was man so nebenbei noch alles macht. Das nimmt ja weitaus mehr als 50 % des Arbeitsalltags ein. Und das ist einfach auch alles streng genommen Arbeitszeit. Und die wird ja so in der Form auch nicht vergütet.
Julia; Ich mag es total mit dir zu reden. Ich würde sagen, wenn es für dich okay ist, schließen wir mal den Bogen. Also für mich war es total schön, dir zuzuhören und ich fand auch schön, wie wir offen wirklich über Gefühle und auch Geld und auch so vielleicht Hindernisse oder Ängste gesprochen haben. Und ich will dir einfach Danke sagen für das Gespräch und auch danke für deine Bereitschaft, hier dabei zu sein in so einem frühen Stadium des Podcasts, Also vielen Dank, dass du da warst!
Lissy: Ja, danke, Julia. Es hat mir viel Spaß gemacht und ich hoffe, dass alle, die das bis hierher gehört haben, sich ein paar schöne Erkenntnisse mitnehmen konnten.
Julia: Also ich werde dann auch übrigens für alle, die bis hierher gehört haben, natürlich in der Beschreibung bisschen was zu Dir schreiben, Dich verlinken, damit alle Leute dich auch besser kennenlernen können. Und ich freue mich natürlich, wenn ihr mir immer Feedback schreibt zum Podcast.
Ich bin ja auch noch am Lernen und freue mich wirklich von euch zu hören: Was hat euch gut gefallen, was hat euch interessiert? Gibt es vielleicht auch noch Fragen, die ihr gerne gestellt hätte? Und dann könnt ihr mir gerne eine Mail schreiben an Julia@aufeigenenbeinen.com oder einfach kommentieren. Ansonsten dürft ihr gerne dem Podcast folgen und das nächste Mal wieder zuhören. Vielen Dank fürs Zuhören!
Der Weg zu neuen Horizonten verläuft selten gradlinig. Ich helfe dir, die entscheidenden Wegpunkte zu identifizieren, sie sinnvoll zu verbinden und begleite dich einfühlsam und wertschätzend auf deiner Reise auf eigene Beine.